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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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stets ihre Fassung wahrt. Ich selbst habe dich so oft belehrt, dass es das Leben leichter macht, wenn man willig das ›Noch‹ hinnimmt und – wenn es ihm unweigerlich folgt – auch ohne Protest das ›Nicht mehr‹. Aber wisse: Bei Wilhelm hat es am Ende nicht länger wehgetan, ihn gernzuhaben, aber ich habe mein Herz an Richard gehängt, und ihn gehen zu lassen bricht mir dieses Herz. Wer liebt, der leidet.«
    Immer leiser war ihre Stimme geworden, ehe sie brach. Ein paar Atemzüge später drehte sie sich um. Ihre Haltung war starr, aber ihre Mundwinkel zuckten – wegen des Leids, das sie beschwor, aber auch, wie Mathilda schien, aus Trotz.
    »Du machst es richtig!«, rief sie plötzlich. »Es ist die rechte Wahl, ins Kloster zu gehen. Für dich. Und für Arvid auch.«
    »Du weißt von ihm … und mir?«
    »Ich kann mir das meiste denken. Aber hab keine Angst, was immer euch verbindet – ich werde es gewiss nicht weitersagen.«
    Mathilda hatte nie mit Sprota über ihn gesprochen und fühlte sich auch jetzt nicht von ihr bedrängt, es zu tun. Gerade deshalb war es plötzlich leicht, ihr alles zu erzählen – von der Flucht durch den Wald, wie er sie vor ihren Verfolgern bewahrt hatte, wie sie aus einem dunklen Traum aufgeschreckt war und ihn geküsst hatte, wie er sie einfach in Fécamp zurückgelassen hatte. Die Worte sprudelten aus ihr hervor. Sie erzählte, wie er ihr erst in Bayeux das Leben gerettet hatte, dann in Lyons-la-Forêt und dass sie sich am Tag von Gerlocs Hochzeit auf dem staubigen Boden einer Kammer geliebt hatten.
    »Ich habe nicht gewagt, ihm danach noch einmal ins Gesicht zu sehen«, rief sie. »Und jetzt ist er es, der mich nicht länger anschaut. Ich denke, es ist richtig, aber ich fühle, es tut weh.«
    Sprota blickte Mathilda lange schweigend mit gerunzelter Stirn an. Mehrmals setzte sie zum Reden an, aber was immer ihr auf den Lippen lag, sie sprach es nicht aus.
    »Ich sollte mit ihm sprechen, wenigstens jetzt, und sei es nur, um Abschied zu nehmen«, murmelte Mathilda.
    »Aber denkst du nicht, dass es noch mehr wehtun würde?«, fragte Sprota. »Willst du dir das antun? Willst du noch mehr Schmerzen? Oh, was gäbe ich dafür, keinen Schmerz erleiden zu müssen.«
    »Es tut mir leid«, sagte Mathilda leise, »dass ich über mich rede, während du den kleinen Richard …«
    »Ich werde Esperlenq heiraten«, fiel ihr Sprota jäh ins Wort.
    Mathilda riss überrascht die Augen auf.
    »Ja, das werde ich tun«, erklärte Sprota. »Esperlenq ist ein reicher Müller, er besitzt mehrere Mühlen an der Andelle und ein großes Haus aus Stein in Pîtres. Ich kenne ihn, er ist ein guter Mann. Das feine Brot, das wir hier essen, ist aus seinem Mehl gebacken. Er hat um mich geworben, und ich weiß, ich werde an seiner Seite ein gutes Leben haben. Ein besseres als mit Wilhelm.«
    Sie schien zu glauben, was sie sagte, aber der Glaube war nicht groß genug für Hoffnung auf Liebe. »Weißt du, Mathilda«, fuhr sie fort, »ich habe immer gedacht, dass einer, der sein Gesicht nicht in den kalten Sturm reckt, auch nicht erfrieren wird, und dass, wer am Strand hocken bleibt, an statt auf hohe See zu fahren, nicht ertrinkt, und dass man nicht mit Hunger ins Bett gehen muss, wenn man sich daran gewöhnt hat, dass auch Brot aus Asche schmecken kann. Aber …«
    »… aber nicht immer überlebt man, indem man sich tot stellt«, brachte Mathilda ihren Satz zu Ende.
    Sprota nickte. »Nun geht es nicht um mich … es geht um Richard. Er wird in den Sturm geschickt, mit ihm kann ich nicht am sicheren Strand hocken bleiben, und ich weiß nicht, ob ihm das Leben Schmackhafteres vorsetzt als Brot aus Asche. Und es macht mich krank, dass ich es nicht ändern kann.« Sie schüttelte den Kopf, wieder zuckten ihre Mundwinkel. Mathilda erwartete, dass sie nun endlich weinen würde, aber Sprotas Augen blieben trocken. Stattdessen brach sie in ein schrilles Lachen aus, das an die Gerloc von einst erinnerte. »In Laon wird wohl das beste Brot im ganzen Reich aufgetischt, und ich mache mir Sorgen!«
    Mathilda schwieg, aber sie ahnte, was Sprota durch den Kopf ging, als ihr Lachen verstummte: Was nutzte das beste Brot – auch mit gefülltem Magen würde Richard womöglich ein Leben lang eine Geisel bleiben und einer, dem man das Land seines Vaters genommen hatte.
    »Du denkst, ich sollte Arvid weiterhin aus dem Weg gehen«, murmelte sie.
    »Er kann leben, was Wilhelm verwehrt blieb.«
    »Er wird nach Jumièges zurückkehren,

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