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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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eine Mutter, die sonst nichts war, keine Witwe, keine Konkubine mehr. Aber ein anderes Leben hatte sie nicht.
    Das Schweigen währte nicht lange, alsbald wurde weitergeredet, und immer wieder wurden die gleichen Argumente gewälzt. Nur Sprota sagte nichts mehr, hielt ihren Blick gesenkt und zeigte niemandem ihren Schmerz.
    Als sich eine Stunde später alle zerstreuten, ließ sie sich, die sie bis jetzt mit geradem Rücken dagestanden hatte, auf einen Stuhl sinken. Wäre sie allein gewesen, sie hätte hemmungslos geweint wie nie, aber nicht alle Schritte, die erklangen, wurden leiser – jemand trat auf sie zu, blieb vor ihr stehen und wartete, bis sie sich stark genug fühlte, den Kopf wieder zu heben.
    Dass jener Mann sie nicht mit Fragen bedrängte, machte es leichter, mit ihm zu reden.
    »Ausgerechnet du bleibst an meiner Seite«, setzte sie unwillkürlich an, »zwischen mir und seinen Mönchen stand doch immer jene unsichtbare Mauer. Wir gaben uns gegenseitig die Schuld, dass er uns nicht ganz und gar gehörte. Und jetzt … jetzt gehört er niemandem mehr. Jetzt wird selbst sein Sohn einem Feind anvertraut.«
    Sie seufzte schwer.
    »Was wird aus dir werden?«, fragte Arvid.
    »Seit wann ist das etwas, worüber ich entscheiden könnte?«, gab sie zurück. »Aber du – du kannst es entscheiden. Du wirst ins Kloster von Jumièges zurückkehren, nicht wahr?«
    Er wich ihrem Blick aus. »Ich muss mit … ihr sprechen«, brach es aus ihm hervor. »Ich hätte es längst tun sollen. Ich dachte all die Jahre, ich könnte sie vergessen und es wäre am besten so. Aber seit ich ihr wiederbegegnet bin …« Er brach ab.
    Deshalb also war er bei ihr im Saal geblieben. Wie hatte sie nur glauben können, es ginge um sie. Nein, er hatte die Zukunft einer anderen im Blick – heimatlos wie sie, getrieben und gewiss voller Angst, was das Morgen brächte. Sprota wusste nicht, was Mathilda und Arvid genau miteinander verband, aber sie hatte die Blicke gesehen, die sich die beiden in den letzten Tagen oft verstohlen zugeworfen hatten, und ihr offensichtliches Trachten, sich gleichgültig zu geben.
    »Aber warum willst du mit ihr reden? Um dich von ihr zu verabschieden? Mach es dir und ihr nicht schwerer.«
    Ein bitterer Unterton klang in ihrer Stimme mit. Sie hatte ihn sich versagt, als sie zuvor zu Bernhard gesprochen hatte, denn Richard konnte sie nicht schützen – Mathilda hingegen schon.
    »Ich muss sie sehen!«, wiederholte Arvid flehentlich. »Bitte! Ich weiß doch nicht, ob ich überhaupt noch ins Kloster gehen will.«
    Sprotas Augen wurden schmal. Die Verzweiflung in der Miene dieses jungen Mannes rührte sie – und machte sie wütend. Nicht auf ihn, sondern auf Wilhelm.
    »Und sieh – dieser Satz verrät dich«, sagte sie schneidend. »Du meinst, du weißt es nicht. Und das bedeutet, dass du schwankst. Dass du unschlüssig bist. Und du erhoffst dir von Mathilda, dass sie dir die Entscheidung abnimmt. Ich aber sage dir: Laste ihr das nicht auf! Ich weiß genau, wie sich eine Frau fühlt, die mit einem Mann leben muss, der zerrissen ist, der zwischen Gott und seinem Land steht, der seinen Körper kasteit und zwischendurch doch der Versuchung unterliegt.«
    Der mit mir einen Sohn gezeugt und diesen anerkannt hat, setzte sie im Stillen hinzu. Aber der mich nicht geheiratet und meiner Stimme genug Gewicht verliehen hat, um Bernhard anzuschreien, anstatt ihm zuzustimmen.
    »Geh!«, rief sie. »Geh, so schnell du kannst. Mute Mathilda nicht mein Schicksal zu. Ich habe an Wilhelms Seite verlernt, nach Glück zu suchen, weil ich dachte, dass er mich zumindest vor Unglück bewahrt. Und sieh, wie es geendet ist.«
    Arvid sah sie ratlos an. »Ich soll sie also meiden? Aber was wird aus ihr?«
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Gerloc … Adela hat ihr ein großzügiges Geschenk gemacht – eine Mitgift nämlich, damit sie in einem Kloster Aufnahme findet.«
    Arvid begann, unruhig auf und ab zu gehen. »Und dorthin will sie immer noch nach all den Jahren? Du kennst sie, du weißt es. Sag es mir! Wird sie dort glücklich sein?«
    »Sie wird ihren Frieden finden.«
    Und er wird dauerhafter sein als der, der mir an Wilhelms Seite gewährt wurde, dachte Sprota.
    Kurz schämte sie sich, ihr Schicksal mit dem Mathildas zu vergleichen und Arvids Handeln mit dem Wilhelms, ja, ihm vorzuwerfen, was sie Wilhelm nie offen angelastet hatte – sein Schwanken, sein Zögern, seine Zweifel, in welche Richtung er sein Leben lenken wollte. Aber

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