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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gesichtsausdruck hatte ihn verraten, aber sie wollte nicht in der Tiefe seiner Gefühle wühlen, wollte mit seinem Schmerz, mit Kränkung und Trotz nichts zu tun haben. Sie wollte auch nicht überlegen, ob es Trug war oder Wirklichkeit, dass sie beobachtet wurden.
    Ja, da waren Augen – unsichtbare Augen, auf sie gerichtet.
    Sie hatte vermieden, an ihren Mörder zu denken und warum er es auf sie abgesehen hatte, aber jetzt, da sie mit den Mönchen durchs menschenleere Land zog, fühlte sie sich schutzlos wie nie.
    Die Mönche schienen ihr Unbehagen zu teilen. Das Gemurmel, anfangs noch inbrünstig, wurde leiser. Sie starrten angstvoll in den Wald, zogen die Schultern hoch und duckten sich. Keiner bekannte sich zu seinen Ängsten, aber schließlich unterbrach der eine sein Gebet, um eine kurze Rast vorzuschlagen. Mathilda hielt nur unwillig die beiden Ochsen an, die vor ihr Gefährt gespannt waren. Die dürren Bäume ein Stück vom Weg entfernt, in deren Mitte sich die beiden Mönche niederließen, versprachen nur Schutz vor dem Wind, nicht vor diesen … unsichtbaren Augen. Mehr denn je fühlte Mathilda sie auf sich gerichtet.
    Die Mönche packten Brot und Käse aus und boten Mathilda ein wenig von ihrem Proviant an, verharrten dann jedoch inmitten der Bewegung.
    »Dominus Jesus!«, schrie einer plötzlich. Mathilda vermeinte, ihre Ohren müssten zerreißen – ob des schrillen Rufs und ob des plötzlichen Raschelns aus dem Gebüsch. Sie fuhr herum, die Äste bewegten sich, etwas Dunkles schoss aus dem Schatten des Baumes hervor.
    Das Dunkle war ein Vogel, der laut kreischte.
    »Dominus Jesus!«, erklang es ein zweites Mal, diesmal erleichtert.
    Dann achtete der Mönch nicht mehr auf Vogel, Gebüsch und Rascheln, sondern versenkte seine Zähne im gelben Käse. Und mit dem würzigen Geschmack des Käses auf den Lippen starb er. Der Ruf nach Christus waren die letzten Worte, die aus seinem Mund kamen. Denn kaum hatte er den ersten Bissen genommen, raschelte es wieder, und diesmal war es kein kreischender Vogel, der aus dem Gebüsch stob, sondern schweigende Männer, von einer dünnen Schneeschicht und verrottetem Laub bedeckt.
    Es waren nicht viele, vier, vielleicht fünf. Es waren genug, um die zwei Mönche binnen eines Augenblicks zu töten. Aus dem Mund des einen quoll der Käse, als sein Kopf zu Boden polterte, während der restliche Körper kurz stehen blieb, ehe auch er fiel. Der andere wurde nicht enthauptet, sondern mitten entzweigeschlagen. Ein Auge war offen, das andere geschlossen, Blut strömte ihm über das gespaltene Gesicht.
    Es ging alles zu schnell, um Angst und Entsetzen zu fühlen. Nichts schmeckte Mathilda, nur den würzigen Geruch des Käses, kurz sogar stärker als den metallischen des Blutes, der in der Luft hing.
    Wie werde ich sterben?, ging ihr ganz nüchtern durch den Kopf, ehe sie einen dumpfen Schlag erhielt und die vom Schnee weißen Männer in Dunkelheit versanken.
    Als Mathilda wieder erwachte, waren die Männer nicht mehr weiß. Der Schnee, der ihre Felle bedeckt hatte, war geschmolzen, und kurz war sie überzeugt, dass sie nicht nur für wenige Augenblicke das Bewusstsein verloren hatte, sondern monatelang in Winterschlaf verharrt war, dass mittlerweile der Frühling ins Land gezogen und dieses erblüht war. Aber dann spürte sie den Schmerz, der ihren Hinterkopf fast zerspringen ließ. Die dumpf pochende Wunde war noch jung und längst nicht verheilt.
    Immerhin, sie hatte nur den Knauf des Schwertes abbekommen, nicht die Klinge, und keiner der Männer, die um sie herumstanden, machte Anstalten, erneut auf sie einzuschlagen. Sie blinzelte, stellte fest, dass sie nicht weit entfernt von den ermordeten Mönchen lag.
    Besser wäre es wohl, sich tot zu stellen und geduldig darauf zu warten, bis sich die Möglichkeit zur Flucht bot. Aber sie konnte es nicht. Alles schrie in ihr, aufzuspringen und zu rennen. Ehe sie auch nur einen Schritt machen konnte, schien der Kopf wieder zu zerspringen, ein gleißendes Licht blitzte auf, machte sie kurz blind. Trotz der Schwärze, die sie verschluckte, versuchte sie, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es gelang ihr, einmal, zweimal. Dann stieß sie gegen einen Baum, und der Baum streckte seine Hände nach ihr aus. Gellend schrie sie auf, der Baum legte seine Hände auf ihren Mund und erstickte den Laut.
    Die Schwärze zerriss wie altes, sprödes Leinen. Der Baum war ein Mann, seine Haut jedoch so hart und rissig wie Rinde, und seine Hände ungemein

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