Kinder des Holocaust
Erfolg durchgeführt worden sei.
Das ist eine gute Neuigkeit, dachte Stuart. Ein glanzvolles Kapitel in der Geschichte der Menschheit. Darauf fühlte er sich ein bißchen wohler; er bezog an der Ladentheke Aufstellung, von wo aus er den Bildschirm ebenfalls gut im Blick behalten konnte.
Wie könnte ich dazu kommen, eine tote Ratte zu verzehren? fragte er sich. Um unter solchen Verhältnissen zu leben, müßte meine nächste Reinkarnation in einer wahrhaftig entsetzlichen Welt stattfinden. Nicht einmal das Vieh kochen, bloß schnappen und hinabschlingen. Womöglich sogar mit Fell und allem, dachte er, Fell und Schwanz und allem Drum und Dran. Er schüttelte sich.
Wie soll ich noch in Ruhe zuschauen können, während Geschichte gemacht wird, fragte er sich verärgert, wenn ich ständig an so was wie tote Ratten denken muß? Ich würde gerne dies große Schauspiel in vollen Zügen genießen, das ich hier mit eigenen Augen mitansehen darf, und statt dessen ... muß ich mir von dieser sadistischen, von Strahlung und Tabletten hervorgebrachten Mißgeburt einen derartigen Mist in den Kopf setzen lassen, nur weil Fergesson den Burschen unbedingt hat einstellen müssen! Verdammt noch mal!
Er stellte sich Hoppy nicht länger als arm- und beinlosen Körper vor, abhängig von dem Karren, was die Fortbewegung betraf, sondern irgendwie im Schweben. Irgendwie Herr und Meister über alles, sie alle, über – wie Hoppy sich geäußert hatte – die Welt. Und diese Vorstellung war noch viel schlimmer als der Gedanke an die tote Ratte.
Ich würde wetten, er hat noch jede Menge mehr gesehen, überlegte Stuart, das er uns nicht verrät, das er absichtlich verschweigt. Er plaudert nur soviel aus, daß er uns eine Gänsehaut verursacht, dann macht er wieder die Klappe zu. Aber wenn er sich in Trance versetzen und die nächste Reinkarnation sehen kann, ist er doch bestimmt dazu in der Lage, alles zu sehen, denn was sollte es denn sonst damit auf sich haben? Aber ich glaube eigentlich ja gar nicht an dies fernöstliche Zeug, sagte er sich. Ich meine, es ist überhaupt unchristlich.
Doch er glaubte, was Hoppy von sich gegeben hatte; er glaubte es, weil er Hoppy dabei selbst hatte beobachten können. Er war wirklich in einer Trance gewesen. Damit hatte es seine Richtigkeit.
Hoppy hatte irgend etwas gesehen. Und es mußte schaurig gewesen sein; daran konnte es keinen Zweifel geben.
Was mag er sonst noch alles zu sehen bekommen? grübelte Stuart. Ich wollte, ich könnte den kleinen Halunken zum Reden bringen. Was hat dieser verdrehte, bösartige Verstand noch anderes in bezug auf mich und den Rest von uns – uns allen – drüben wahrgenommen?
Ich wünschte, dachte er, ich könnte auch einen Blick hinüber tun. Stuart hielt so eine Möglichkeit für sehr bedeutsam, und er beachtete den Fernseher nicht mehr. Er vergaß Walter und Lydia Dangerfield und die Geschichte, die sie machten; er dachte nur an Hoppy und den Vorfall im Restaurant. Gerne hätte er aufgehört, sich in Gedanken bloß noch damit zu beschäftigen, doch er war nicht dazu imstande.
Unablässig dachte er darüber nach.
4
Das entfernte Fauchgeräusch veranlaßte Mr. Austurias, den Kopf zu wenden, um nachzusehen, was dort die Straße entlangkam. Er befand sich am Rande eines von einem Eichenhain bestandenen Hügels und beschirmte nur mit der Hand seine Augen gegen die Sonne; da bemerkte er drunten auf der Landstraße das kleine Phokomobil Hoppy Harringtons; mitten darauf saß der Phokomelus und lenkte sein Fahrzeug des Weges, den er sich mit erheblicher Vorsicht zwischen den Schlaglöchern suchen mußte. Aber das Fauchen war nicht von dem Phokomobil gekommen; das nämlich fuhr mit Batteriebetrieb.
Ein Laster, erkannte Mr. Austurias. Einer von Orion Strouds umgebauten alten Holzvergaser-Lastwagen; nun sah er ihn mit hoher Geschwindigkeit herankommen und sich Hoppys Phokomobil nähern. Der Phokomelus schien das große Fahrzeug, das hinter ihm aufholte, gar nicht zu hören.
Die Straße gehörte Orion Stroud; im vergangenen Jahr hatte er sie vom Landkreis erworben, und es lag bei ihm, für ihre Instandhaltung zu sorgen, aber er mußte sie auch andere Autos außer seinen riesigen Lastfahrzeugen benutzen lassen. Er durfte für die Benutzung keinerlei Gebühren verlangen. Und doch, trotz dieser Vereinbarung, sah es ganz so aus, als wolle der Holzvergaser-LKW das Phokomobil einfach zur Seite fegen; er fuhr unerbittlich weiter, ohne zu verlangsamen.
Guter Gott, dachte Mr.
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