Kinder des Judas
zaubern?«, sagte sie neckend und hob die Hand. »Ihr glaubt doch an diesen Unsinn, nicht wahr?«
Der Dicke ließ den Strick los, packte ebenfalls einen Knüppel, und mit einem Schrei schlug er nach ihr.
Die Angriffe waren im Vergleich zu Frans’ Attacken so langsam, dass Scylla es sich erlaubte, erst im letzten Augenblick vor dem Holz auszuweichen. Dann sprang sie auf den Gegner zu und hielt den Arm ausgestreckt. »Wenn ich dich berühre, wirst du nie wieder schlafen können«, rief sie finster. »Oder vielleicht raube ich dir deine Seele und schenke sie einem Dämon, damit er dich bis ans Ende deiner Tage heimsucht.«
»Nein!«, schrie er furchtsam und zückte seinen Dolch. »Bleib weg von mir!«
Sie betrachtete das rostige Eisen, das vor ihr schwebte. Die Auseinandersetzung hielt mit einem Mal eine neue Herausforderung bereit, die Scylla gerne annahm. Hinter ihrem Rücken vernahm sie das schleifende Geräusch, wie es ein grobes Messer von sich gab, wenn es aus der Scheide gezogen wurde. Sie war in der richtigen Laune, dieses Spiel zu spielen.
Stampfende Schritte hasteten auf sie zu, der andere Köhler hatte sich aus dem Schnee gestemmt und griff sie an.
Scyllas Blut rauschte in den Adern, sie bleckte die Zähne undgrinste, während sie unter ihren Mantel griff und den Damaszenerdolch hervorzog; aus der Bewegung kreiselte sie um den ungestüm angreifenden Mann herum und stach ihm ins Gesäß. Sie wollte, dass er vor Wut schäumte und sich mehr Mühe gab.
Der Dicke stieß zu, Scylla parierte die Klinge und zerschnitt ihm mit einem schnellen Schwung die linke Wange. »Zu langsam.« Sie lächelte und kletterte auf den Schlitten. »Was ist mit euch?« Sie legte zuerst die Hand mit dem Dolch auf den Rücken, dann die andere. »In welcher halte ich wohl meine Waffe?«
Die Köhler sahen sich an. »Sie ist von einem Dämon besessen«, sagte der Dicke und bekreuzigte sich erneut. »Wie sonst könnte ein halbes Kind kämpfen wie sie?« Er machte Anstalten zu flüchten. »Wir müssen dem Popen Bescheid sagen.«
Das konnte sie nicht zulassen.
Und es gab nur einen Weg, um es zu verhindern.
Sie sprang vom Bock herab, genau vor die Füße des übergewichtigen Köhlers und schlug zur Täuschung mit dem unbewaffneten rechten Arm zu. Der Mann machte einen Ausfallschritt zur Seite – und bekam ihren zweiten Angriffsstoß seitlich in den Hals. Scylla hatte waagerecht zugestochen und zog die Klinge nach vorne heraus, um das Fleisch und die Adern aufzuschlitzen. Laut gurgelnd und Blut spuckend stürzte der Mann nieder.
»Upirina!«, rief sein Begleiter entsetzt.
»Nein, sicherlich nicht«, gab Scylla zurück und drang auf ihn ein. Zuerst stach sie ihm in den Oberschenkel, er krümmte sich und bekam die Klinge von unten durch das Kinn in den Rachen gerammt. Die Spitze fuhr durch das Hirn und tötete ihn. Die durchbohrte Zunge hinderte ihn an einem letzten Schrei; tot fiel er auf den Weg.
Erst jetzt, als Scylla die Leichen vor sich liegen sah und Dampfvom warmen Blut aufstieg und sie umwaberte, wurde ihr bewusst, was sie angerichtet hatte.
Vielleicht hätte sie Schrecken und Reue empfinden sollen – doch ihr Verstand sagte ihr etwas anderes: Die einzigen Zeugen ihres Gesprächs waren tot und konnten weder sie noch Giure verraten, sie hatte sich im Kampf gegen zwei Gegner spielend behauptet, und die Präparatesammlung im Laboratorium erhielt neuen Zuwachs. Wirklich fette Menschen besaßen sie noch keine.
Scylla rollte die Holzstücke vom Schlitten, baute daraus eine kleine Rampe und wuchtete die Männer hinauf. Das Gefährt zu ziehen war sehr anstrengend, aber sie schaffte es.
Unterwegs überlegte sie, wie sie die Toten ihrem Vater erklären sollte, und gelangte zu der Entscheidung, es ihm gar nicht zu sagen. Es würde auf immer ihr Geheimnis bleiben, und die Präparate würden in der hintersten Ecke verschwinden.
Sogar der Himmel schien ein Einsehen für die Notwendigkeit ihrer Tat zu haben, denn er sandte ihr dichten Schneefall, der die Spuren der Kufen bedeckte.
Niemand würde jemals erfahren, wo die Köhler abgeblieben waren.
19. September 1677
Osmanisches Tributland
Baronin Lydia Metunova hatte sich angekündigt, samt ihrer Elevin Eleonora. Karol und Scylla verbrachten den Abend damit, den Raum, in dem die Cognatio stattfand, für das Essen herzurichten.
In Gedanken verweilte Scylla bei Giure. Sie trafen sich seit ihrer Aussprache beinahe jede Woche. Seitdem der Winter gegangen war, fiel es dem jungen
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