Kinder des Judas
an, öffnete das Kleid einen Spalt, damit man den Einstich des Dolches sah. »Hier, schaut. Sie ist überfallen und niedergestochen worden.«
»Ist sie dein nächstes Opfer geworden?« Elisabetha zeigte mit der Sichel auf Scylla. »Du selbst wirst sie überfallen und erstochen haben!« Sie kam, furchtlos in ihrer Hysterie, auf Karol zu, die Bauern folgten ihr rechts und links. »Ich will wissen, was du mit meinem Bruder gemacht hast!«
Karol täuschte Entsetzen vor. »Mein Gott, sie atmet nicht mehr.« Er legte den Kopf auf die blutige Brust der ehemaligen Elevin. »Das Herz ist stehengeblieben.« Vorwurfsvoll hob er die Augen und richtete den Blick auf Elisabetha, die einen Schritt von ihm entfernt verharrte. »Du hast sie umgebracht. Ich hätte ihr helfen können, aber du in deiner Verblendung …«
Stanjek, Giures Vater, schob sich nach vorne, nahm Elisabetha die Sichel ab und hob sie drohend. »Schweig, Upir!«
Scylla hörte von unten, dass ein Teil der Dörfler durch die Tür in die Mühle eingedrungen war. Auch wenn sie nicht sah, was sie taten, hörte sie das Krachen von Holz; Glas und Porzellan splitterten – dann erklang das vertraute Rattern, mit dem die Rampe zu den Laboratorien nach unten gefahren wurde!
Karol hatte es ebenfalls vernommen. »Nein!«, schrie er. »Ihr dürft da nicht hinein!« Er wollte losrennen – da stieß die Sichel mit leisem Surren herab und traf ihn von oben ins Schlüsselbein. Die Spitze wirkte wie ein Haken und hinderte ihn daran, seinen Weg fortzusetzen. Er spürte offenbar keine Schmerzen, nur den Schlag auf die Schulter.
»Du bleibst, Upir«, befahl Stanjek und gab den Umstehenden ein Zeichen, die sich sofort auf Karol und Scylla stürzten, um sie festzuhalten. Er zog die Sichel aus dem Fleisch; sogleich sprudelte Blut aus der tiefen Wunde. »Du kannst deinem Ende nicht mehr entkommen.« Zu Scyllas Entsetzen nahm er einen Packen loser Blätter aus der Tasche seines Mantels. Sie erkannte die Handschrift darauf als Giures. »Wir wissen, was du und deine Schülerin treiben. Mein Sohn hat seinen Besuch in der Mühle und die schändlichen Dinge niedergeschrieben, die inden Hexenküchen dort unten vorgehen. Er hat sie genau beschrieben und wie man hineingelangt. Der Dorfpope hat es uns vorgelesen. All diese Dinge, die ihr zwei mit unseren Toten anstellt …« Stanjek schüttelte sich voller Abscheu. »Kein normaler Mensch würde so etwas tun.«
Elisabetha bekreuzigte sich wieder und wieder. »Es sind beides Upire! Sie haben uns in ihren Bann geschlagen, ohne dass wir es merkten!«
Sieben bleiche Bauern kamen die Treppe herauf. Sie hielten Gläser mit Präparaten in ihren Händen; in einem schwamm Giures Kopf. »Der Herr bewahre uns: Der ganze Hügel ist voll davon«, stotterte einer von ihnen. »Es ist …« Er würgte und übergab sich, dabei fiel ihm das Glas aus der Hand und zerschellte.
Scylla musste mit ansehen, wie ihr winziges, ungeborenes Kind auf den dreckigen Scheunenboden fiel. Niemand schenkte ihm Beachtung, die Männer drängten nach vorne, und der kleine Leichnam verschwand zwischen ihren Stiefeln. Das Grauen raubte ihr die Stimme, sie öffnete den Mund, aber der Schrei wollte nicht über die Lippen.
»Wir haben Blut gefunden, Stanjek«, berichtete ein Zweiter. »Sie horten es in Lederschläuchen und in Glasschüsseln!«
»Aus dem Weg!« Die Menge teilte sich und machte dem Dorfpopen Platz, einem untersetzten, älteren Mann in einem schwarzen Gewand, vor dessen Bauch ein großes silbernes Kreuz baumelte. Der dunkle Bart reichte bis auf seine Brust, die weißen Haare hingen offen bis auf den Kragen. »Es ist demnach wahr. Es ist alles wahr, was Giure schrieb!« Er sah auf die Glasbehältnisse, dann zu Scylla und schließlich zu Karol. »Ihr seid Geschöpfe des Bösen«, rief er entsetzt und hielt das Kreuz in die Höhe. »Doch Gott bereitet diesem Treiben ein Ende.«
»Wir sind Wissenschaftler, und wir tun Gottes Werk, indem wir der Menschheit nehmen, was sie schwächt. Dazu müssen wir Untersuchungen und Forschungen betreiben. Wir
untersuchen
das Blut, wir trinken es nicht«, beteuerte Karol und wehrte sich nicht. Es würde alles nur schlimmer machen. Er schaute in die Runde der vielen bekannten Gesichter. »Wie viele von euch habe ich in den letzten Jahren geheilt?«
Er bekam keine Antwort.
»Ihr Mörder! Du kannst den Tod meines Bruders nicht leugnen!« Elisabetha hielt das Glas mit Giures Kopf an sich gedrückt.
Jemand reichte Stanjek einen Pflock.
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