Kinder des Judas
Er kam ihr merkwürdig vertraut vor … Das Gesicht war schmal und mit einem schwarzen Dreitagebart geziert, das Lächeln, das auf den Zügen lag, flößte Maximilian gehörige Angst ein, das konnte Scylla auch mit dem einen Auge ganz genau erkennen.
Und auf seinem Kopf trug der Fremde eine opulent geformte Weißhaarperücke!
Ehe Maximilian etwas sagen konnte, bekam er den Leuchtergegen den Kopf geschlagen und fiel rückwärts die Stufen hinab, wo er vor den Stiefelspitzen Vladimirs und der fünf Diener zum Liegen kam.
»Ist das nicht ein wenig unsauber: sechs Männer gegen ein junges Mädchen?«, fragte der Unbekannte vorwurfsvoll und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Statur war normal, an seiner Seite baumelte ein langer Dolch in einer Scheide aus purem, graviertem Silber. Die blauen Augen wanderten über die Züge der Gegner, dann richteten sie sich auf Vladimir. »Was geht hier vor?«, verlangte er in einem sehr majestätischen Tonfall zu wissen.
Zwei der Diener wichen vor ihm zurück, einer murmelte »Upir.«
Vladimir hob seine Waffe, die Spitze deutete auf den Unbekannten. »Ich kenne Euch nicht. Es ist kein Besuch angemeldet, und Ihr seid zudem unbefugt in das Anwesen eingedrungen, einmal ganz abgesehen von dem Angriff auf meinen Herrn.« Er gab den Dienern ein Zeichen, zusammen mit ihm vorzurücken. »Wollt Ihr der Blutsaugerin zur Hilfe kommen? Erklärt Euch, oder wir töten Euch.« Er griff unter sein Hemd, legte das Kreuz auf die Brust, bekreuzigte sich und bewegte die Lippen zu einem lautlosen Vaterunser.
Der Unbekannte wich nicht zurück, als sich ihm die Säbelspitzen entgegenreckten. »Mein Name ist Marek, und ich nenne ihn nur meinen Freunden … oder Menschen, die dem Tod geweiht sind.« Er lächelte und zeigte eine Reihe von kräftigen, spitzen Zähnen. »Um auf deine Frage zu antworten: Ja, ich bin hier, um der Blutsaugerin beizustehen.«
Mit diesen Worten wurde seine Gestalt schlagartig durchschimmernd wie Glas, so dass nur noch Konturen zu sehen waren. Die Kleider fielen von ihm ab, klirrend landete der Dolch auf dem Boden. Ein kräftiger, eisiger Wind wehte durch das breite Kellertor und wirbelte die Haare der Männer durcheinander,sie mussten die Augen schließen, zwei Diener verloren das Gleichgewicht und stürzten die Stufen hinab.
»Vorsicht!« Vladimir stach zu und sah durch die halbgeöffneten Lider, dass der Upir längst nicht mehr vor ihm stand. Rasch sah er sich um und entdeckte ihn drei Schritte von sich entfernt in der Luft schwebend und vom Wind getragen.
»So werdet ihr mich nicht vernichten«, sagte Marek lachend und stieß auf die hintersten Männer nieder. Knapp über dem Boden nahm er seine feste Gestalt an und stand nackt vor ihnen; der vollendete Körper sah muskulös und doch geschmeidig aus.
Seine Hände legten sich um die Hälse, und im nächsten Augenblick rollten die abgerissenen Köpfe über den Boden. Die verbliebenen drei Diener fielen mit aufgeschlitzten Kehlen nieder, während der Upir scheinbar nur an ihnen vorbeiging und die Arme unglaublich schnell bewegte. Unvermittelt stand er vor Vladimir.
In einem Reflex stach der Diener zu, aber Marek wich dem Säbel aus, hielt ihn auf der ungeschliffenen Seite fest und zerschmetterte die Klinge mit einem brachialen Hieb der anderen Hand.
Vladimir ließ die zerstörte Waffe fallen und wollte nach dem Dolch greifen, aber der Upir kam ihm zuvor. Die geballte Faust traf genau den Adamsapfel und zertrümmerte seine Kehle; würgend und keuchend brach der Diener zusammen.
Marek beugte sich zu Scylla hinunter und begutachtete die Verwundungen, die sie erhalten hatte. »Es sieht übel aus, doch es wird wieder«, sprach er sanft und setzte sich neben sie. Er packte Vladimirs Bein und zog den Erstickenden zu sich. »Du wirst viel Blut benötigen, damit du zu Kräften kommst.« Mit den Fingernägeln öffnete er Vladimirs Halsschlagader und hielt sie Scylla hin, die sofort gierig zu trinken begann. »Danach wirst du das Geld deines Mannes an dich nehmen, das Schlossin Brand stecken und zur Mühle zurückkehren, in der dein Vater einst lebte. Erkunde all ihre Geheimnisse, hörst du? Durchsuche jeden Winkel! Denn es gibt darin eine Kostbarkeit. Ein unvorstellbar hohes Gut.«
Er stand auf, hob sie an und trug sie zurück ins Schlafzimmer. Mit einem einzigen geschickten Tritt beförderte er die schwere Chaiselongue unter den Baldachin, um sie dort zu betten; danach plazierte er die Toten um sie herum.
Scylla sah
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