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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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dabei, den Vater und damit meinen Gönner umzubringen, umein Jahr darauf den Sohn zu ehelichen. Ich war von nun an eine wahrhaftige Adlige!
    Aber nach wie vor entdeckte ich keine Spur von der Cognatio. Wo hielten sie sich verborgen?
    Abgesehen von diesen bohrenden Fragen lief es gut. Zu gut.
    Mein Hochmut stellte mir ein Bein, denn in der Nacht, als ich von der Jagd auf den letzten Mörder meines Vaters zurückkehrte, geschah es.
     
    21. November 1683
Osmanisches Tributland
     
    Scylla war mit der Sonne um die Wette gereist und hatte das Gestirn wie so oft knapp geschlagen. Aber so gefährlich nahe wie in dieser Dämmerung war ihr die Sonne selten gekommen.
    Normalerweise täuschte sie ihrem Gemahl vor, die Nacht gehorsam an seiner Seite verbracht zu haben, und weckte ihn mit einem Kuss, doch diesmal blieb ihr keine Zeit mehr.
    Stattdessen stieg sie sogleich in den Keller hinab, in den sie sich tagsüber wegen »eines Lungenleidens« zurückzog, wie sie behauptete; die feuchte Salpeterluft täte ihr gut. In diesem herrlichen Kreuzgratgewölbe, das aus dem 13. Jahrhundert stammte, hatte sich Scylla ein zweites Wohnreich einrichten lassen und lebte ebenso fürstlich wie ihr Gemahl in den Stockwerken über ihr.
    Scylla eilte die Stufen hinab und begab sich ins Schlafzimmer, in dem sie sich gerne ein paar Stunden Ruhe gönnte. Die weiten nächtlichen Reisen strengten sie sehr an. Scylla legte die Kleidung ab, setzte sich nackt vor das prasselnde Kaminfeuer in den großen Sessel und genoss die Wärme.
    Sie hatte ihre Rache vollendet und dachte darüber nach, wassie nun anfangen sollte. Wollte sie die Forschungen neu aufnehmen? Hatte die Menschheit das überhaupt verdient? Die Undankbarkeit der Dörfler bestärkte sie nur in ihren Zweifeln. Oder sollte sie die Suche nach den Kindern des Judas fortsetzen?
    In Gedanken versunken, hatte sie nicht bemerkt, dass sie bereits erwartet wurde.
    »Wo warst du, Weib?«
    Sie erschrak und wandte sich um. Hinter der Tür saß ihr Gemahl Maximilian auf einem Stuhl, und seinen müden Augen nach zu urteilen, hatte er die ganze Nacht dort verbracht; im rechten Schaft der hohen schwarzen Reitstiefel steckte ein Rohrstock. »Ich war aus«, antwortete sie. »Ich konnte keine Ruhe finden, und da ließ ich die Pferde anspannen, um ein wenig umherzufahren.«
    Maximilian nickte. »Und vor einem Monat? Hattest du da auch Schwierigkeiten, die Lider zu schließen?« Er stand auf. Das weiße Hemd stand halb offen und hing über die beigefarbene Hose, die langen braunen Haare lagen ihm auf den Schultern.
    Scylla ahnte, dass weitere Ausflüchte vergebens waren. Er hatte sie seit längerer Zeit beobachtet. »Was willst du von mir?«
    »Du triffst dich wieder mit einem anderen Mann, nehme ich an«, sagte er mühsam beherrscht. »Was planst du? Suchst du dir einen besseren Gatten, um weiter aufzusteigen, so wie du es bisher gehalten hast?«
    Scylla lächelte herablassend. Der Trottel war wirklich eifersüchtig geworden. Der Rohrstock warnte sie, dass er sie bestrafen wollte, aber die Hochstimmung, in der sie sich befand, nachdem sie den letzten Mörder getötet hatte, machte sie übermütig. Sie wollte sehen, wie er reagierte. Ein Experiment. »Und wenn es so wäre?«
    »Dann hätte ich Bedenken, mein Herz, dass ich dein nächstes Opfer wäre. Ich weiß, wie skrupellos du bist.« Er hatte den Sessel erreicht und legte seine Hände auf ihre nackten Schultern, streichelte die warme Haut. »Ich habe Nachforschungen über dich anstellen lassen und musste feststellen, dass man dich auch andernorts kennt. Dein Aufstieg führte durch etliche Betten.«
    »Denkst du das, Maximilian?« Auch wenn er sie nicht erwürgen konnte, wollte sie doch eine Tätlichkeit vermeiden. »Wen besuche ich denn deiner Ansicht nach?«
    »Atanas, den Sohn des Phanarioten«, kam es sofort aus seinem Mund. »Er hat dir schon immer Avancen gemacht.« Ruckartig zog er den Stock aus dem Stiefel und nahm ihn in beide Hände. »Ich sehe an deinem aufreizenden Lächeln, dass du keine Ahnung hast, wie schwer es mir fällt, mich zurückzuhalten.« Maximilian zeigte mit dem dünneren Ende auf sie. »Ich werde dich prügeln, bis du dein Vergehen gestehst. Danach werde dich aufs Bett fesseln und dich nehmen, wie ich dich noch niemals genommen habe, damit du nicht mehr vergisst, dass
ich
dein Gemahl bin. Aber wenn ich ein freiwilliges Geständnis höre, überlege ich mir das mit dem Prügeln vielleicht.«
    Scylla lachte ihn aus. »Oh, mein armer

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