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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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nahm ich mir auch ein lebendiges Wesen und probierte die Früchte meiner Arbeit, indem ich ihm die Tinkturen und Elixiere unverdünnt zu schmecken gab
.
    Die Zeit verging. Im Gegensatz zu den Menschen, denen ich mich hin und wieder zeigte, alterte ich nicht. Hatte der Verfall gänzlich aufgehört, oder verlief er derart langsam, dass ich es nicht bemerkte? Auch dies war ein Rätsel, das ich lösen musste
.
    Den ersten Durchbruch konnte ich aber auf einem anderen Gebiet verzeichnen; es gelang mir endlich, einen Teil der Aufzeichnungen meines Vaters zu übersetzen: Er hatte mir seine Erkenntnisse über die Kinder des Judas vermacht!
    Es war die gleiche Nacht, in der ich unerwarteten Besuch bekam.
     
    23. Oktober 1692
Osmanisches Tributland
     
    »Ihr solltet stets darauf achten, dass man Euren Spuren nicht folgen kann. Sie verrieten mir den östlichen Eingang in dieses wunderbare Laboratorium. Ein wahrer Irrgarten.«
    Scylla schrak zusammen. Sie hatte den Kopf über ein Mikroskop gebeugt und eine Hautprobe untersucht – und nicht bemerkt, dass sich ihr jemand genähert hatte.
    Diese Stimme!
    »Marek«, sagte sie freudig und wandte sich zu dem Mann um.
    Er stand am Eingang, lässig an den Türrahmen gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Auch ihm sah man nicht an, dass neun Jahre ins Land gezogen waren. Die Zeit vermochte ihm ebenso wenig etwas anzuhaben wie ihr. »Ja, der bin ich.« Er deutete eine Verbeugung an und absolvierte einenKratzfuß. »Ich freue mich zu sehen, dass Ihr meinen Rat befolgt habt.«
    »Es war Euer Rat und gleichzeitig mein dringender Wunsch«, erwiderte sie und erhob sich. Im Gegensatz zu ihm trug sie keine Perücke, sondern hatte das lange rote Haar zu einem Knoten gebunden, damit es bei ihrer Arbeit nicht im Weg war. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich bei Euch für Eure Tat zu bedanken.« Sie wurde sich bewusst, dass sie einen schmutzigen Kittel trug und nicht eben passend für den Empfang eines Gastes angezogen war.
    Marek lächelte. »Ihr meint meinen Auftritt damals im Schlosskeller? Wie schade, dass Ihr nicht alles gesehen habt. Ich war unglaublich gut.« Er stieß sich vom Rahmen ab und kam auf sie zu. »Darf ich schauen, was Ihr gerade betrachtet?«
    Scylla trat zur Seite, um ihn durch das Okular sehen zu lassen. »Sicher. Meinem Lebensretter gewähre ich jede Bitte.«
    Er suchte ihren Blick, ehe er sprach: »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich nicht nur darauf reduzieren würdet. Ich möchte mehr für Euch sein, Scylla.« Er senkte den Kopf über die Linsen und betrachtete die Epidermisprobe. »Das wollte ich schon, seitdem wir uns das erste Mal begegnet sind.«
    Sie legte die Schürze ab und verschaffte sich dadurch etwas Zeit zum Nachdenken. »Habt Dank für das Kompliment«, erwiderte sie flüchtig, weil sie nicht wusste, wie sie sonst darauf reagieren sollte. »Darf ich Euch hinaufbitten, wo es ein wenig wohnlicher ist als im Laboratorium?« Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern schritt an ihm vorbei zu den Stufen, die nach oben führten.
    Die Etage unmittelbar unter der Scheune und der Mühle hatte Scylla in einen kleinen Palast umgewandelt. Es mangelte weder an Komfort noch an Behaglichkeit. Kerzen und Leuchter verbreiteten Licht und Wärme in diesem Salon, wie sie es nannte. In unzähligen Regalen stapelten sich die in denunteren Laboren vom Feuer verschont gebliebenen wertvollen Bücher ihres Vaters sowie neuere Werke, auf dem Tischchen stand eine Sammlung bester Spirituosen und Gebäck.
    Scylla bot Marek den eigenen Sessel an, während sie auf dem Stuhl Platz nahm. »Was darf ich Euch reichen?« Sie betrachtete seine Züge. »Wie wäre es mit etwas Blut? Ich habe in meinen Verliesen …« Scylla brach mitten im Satz ab, als sie den Ekel in seinem Gesicht bemerkte.
    »
Blut
, verehrte Scylla?«, sagte er leise und abfällig. »Ich dachte, Ihr hättet inzwischen verstanden, was wir sind.« Er nahm eines der Gebäckstückchen und biss davon ab. »Lasst mich es so formulieren: Habt Ihr jemals gesehen, dass Euer Vater Blut zu sich nahm?«
    »Nein. Aber er sagte mir auch niemals, dass er ein Upir …«
    Marek zuckte wieder zusammen. »Bitte, nicht dieses scheußliche Wort, das uns auf die gleiche Stufe mit diesen Blutsaugern stellt, die draußen wie Tiere umherziehen und Menschen anfallen.« Er goss sich einen Branntwein ein, wärmte das Glas mit der Hand und ließ den Alkohol kreisen; genießerisch atmete er das Bouquet ein. »Ich bin ein Aeternus, Ihr seid

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