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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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vermisst habe – und die ich nur noch mit einem anderen Menschen kennenlernen sollte,
schreibe ich.
    Um nicht in der Trauer um das, was für immer verloren ist, zu versinken, bleibe ich nun bei den geschichtlichen Fakten. Denn auch, wenn ich damals sehr auf mich selbst konzentriert war, konnte ich den Lauf der Dinge um mich herum nicht ignorieren.
    Die Türken wurden von den Habsburgern nach der Niederlage vor Wien 1683 immer weiter nach Süden zurückgedrängt. Der Friedensschluss von 1718 in Passarowitz brachte den Österreichern das strategisch wichtige Belgrad, den größten Teil von Serbien, die Kleine Walachei und das Banat von Temesvár. So wurde mein Land erneut okkupiert. Die Flaggen und Standarten änderten sich, die Besatzung blieb. Heute neige ich sogar dazu zu sagen, dass die Türken die freundlicheren Besatzer waren.
    Ich tötete etliche der Soldaten, die sich in meinen Dörfern zu sehr danebenbenahmen, und schob die Taten einem Upir in die Schuhe. Ein Fehler, denn damit weckte ich bei den Habsburgern die Neugier, die prompt eine Untersuchungskommission nach Kisolova sandten. Das Wissen über die Upire verbreitete sich, ohne dass ich es verhindern konnte.
    Es kam noch schlimmer. Die Nachlässigkeiten von Baron Carzic führten dazu, dass sich die Upire in seinem Hoheitsgebiet rascher vermehrten als sonst und schon bald ausschwärmten. Die Cognatio beschloss daher, die Upire stärker zu jagen, damit ihre Heimsuchungen nicht so viel Aufsehen erregten und wir dadurch selbst in Gefahr gerieten.
    Es half nicht viel.
    Und nun muss ich zu dem Teil der Geschichte vorstoßen, vor dem ich mich besonders fürchte. Aber auch er muss erzählt werden. Gerade er.
    Ich setze den Füllfederhalter auf das Papier und schreibe:
     
    Am Ende des Jahres 1731 hatte sich für mich alles geändert. Auch wenn das Drama in einer ganz anderen und weit entfernten Stadt seinen Anfang nahm.

3.
BUCH
Entdeckungen

XIII.
Kapitel
    12. Oktober 1731
Gut Schwarzhagen (Lausitz)
     
    E s ist nicht rechtens, dass Sie darauf beharren.« Tassilo von Schwarzhagen stellte die Teetasse auf den Unterteller und sah zu seinem jüngsten Sohn Viktor hinüber, der ihm gegenübersaß und lächelte.
    Viktor war Anfang zwanzig und großgewachsen. Er achtete darauf, dass kein Barthaar den Blick auf das verwegene, spitzbübische Gesicht trübte. Er trug ein weißes Hemd mit einem schwarzen Wams darüber, ein locker gebundenes weißes Halstuch mit silbernen Streifen verlieh ihm Verwegenheit; die Füße steckten in gemütlich aussehenden Pantoffeln.
    »Aber ich habe es beim Spiel gewonnen, Vater.« Viktor nahm seine Teetasse und schlürfte laut. »Ich kann nichts dafür, dass Fortuna mir hold war.« Er sah an dem verdrossenen Gesicht des Vaters, dass ihm diese Worte nicht schmeckten. »Und weil meine Schwestern nichts ausrichteten, kommen Sie nun selbst zu mir, um mich davon zu überzeugen. Obwohl Sie sicherlich Besseres zu tun hätten.«
    Tassilo nickte. »Wie wahr! Ich habe Abrechnungen zu machen, neue Ware soll geliefert werden. Und was tue ich, statt das alles zu überwachen?« Er atmete ein. »Ich sitze hier und muss bitten und betteln wie ein armer Schlucker, damit Sie zur Besinnung kommen.«
    Viktor schenkte ihm nach. »Vater, ich lasse Sie nicht betteln. Sie tun es aus eigenem Willen, daran möchte ich Sie erinnern.«
    »Ihre Mutter, das sage ich Ihnen, sieht die Sache ebenso wie der Rest der Familie«, erwiderte er lahm. »Es ist das Gut Ihres Bruders, das er mit seinem ersten gemachten Vermögen bauen ließ. Ich bitte Sie, geben Sie es ihm wieder zurück! Er war betrunken, als sie gespielt haben.«
    »Ich auch, Vater. Und ich habe gewonnen, wie er mir schriftlich bestätigte.« Viktor sah nicht ein, auch nur eine Handbreit zurückzuweichen. Er mochte Bernhard nicht, und dass er sich mit einem solchen Blatt ins Unglück gestürzt hatte, fand Viktor ebenso unterhaltsam wie begrüßenswert. Das würde dem älteren Bruder eine Lehre sein. »Sehen Sie es so: Das Gut bleibt in der Familie.« Er stellte die Kanne zurück, legte das linke Bein hoch und faltete die Hände zusammen. Aus seiner Sicht war alles gesagt, und das mindestens zum zehnten Mal seit jenem Abend.
    Tassilo seufzte. »Ist das also der Respekt, den ein Sohn seinem Vater schuldet?«
    Viktors Augen wurden schmaler. »Ich habe Ihnen bereits einen großen Wunsch erfüllt, also lassen Sie mir dieses Gut. Bernhard versteht nichts von der Pferdezucht, und ich nehme es als Wink des Schicksals, dass

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