Kinder des Judas
ich nun der Besitzer bin.« Mit dem großen Wunsch war die Verlobung mit Susanna von Harbhorst gemeint, zu der ihn der Vater gedrängt hatte. Viktor hatte schließlich eingewilligt, weil für ihn keine Möglichkeit mehr bestand, eine Liebesheirat einzugehen; die einzige Frau, die er gerne zur Gemahlin genommen hätte, war tot. Im Grunde hielt ihn hier nichts, und deswegen würde er seinem Vater etwas vorschlagen, mit dem der alte Herr nicht rechnete und was er ihm nicht abschlagen konnte.
Tassilo schnaufte missbilligend, erhob sich und ging zum Fenster. Seine Blicke schweiften über den Innenhof des Anwesens, wo die Pferdeknechte gerade zwei Stuten im Laufschritt über den Hof führten, während ein Kaufinteressent die Tierebetrachtete. »Gut, ich sehe ein, dass ich bei Ihnen nicht weiterkomme, mein Sohn«, sprach er gegen das Glas, in dem sich Viktors Reflexion abzeichnete.
»Weiterkommen ist ein gutes Stichwort. Ich bin auf der Suche nach neuen Herausforderungen.« Viktor lächelte. »Ich gehe in den Osten, Vater. Dahin, wo die Habsburger vor ein paar Jahren Land von den Türken erobert haben. Dort gibt es Pelze zuhauf, und die könnte unser Geschäft gut gebrauchen.«
Tassilo wandte sich halb zu ihm um und trat einen Funken aus, der aus der Kaminglut gesprungen und auf dem Teppich gelandet war. »Wollen Sie jetzt auch noch mit jemandem um ein Kontor spielen?« Er lachte gekünstelt.
»Sie wissen, was ich meine. Ich bin der bessere Geschäftsmann, derjenige, der mit den Leuten umzugehen versteht. Bernhard dagegen ist der bessere Rechner und Buchhalter.« Viktor verspürte ein Gefühl des Triumphs. Er hatte seinen Vater überrascht. »Die neuen Gebiete wimmeln von Tieren mit sehr teuren Pelzen.«
Tassilo drehte sich ganz zu Viktor um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Scheibe. »Davon habe ich auch gehört.«
»Ich habe mir die Unterlagen angeschaut, und was ich gelesen habe, macht mir Angst. Die Preise unserer Jäger hier in der Lausitz sind meines Erachtens nicht mehr lange zu bezahlen. Die russischen Kaufleute hingegen werfen eigene Pelze auf den Markt und drohen uns zu verdrängen«, sagte er mit Nachdruck. Er stand auf und legte die Hände auf die Schultern seines Vaters. »Die Familie braucht mich dort, wenn unser Geschäft überdauern soll.« Sein Trumpf. Es gab kein Argument gegen das Triumvirat aus Geschäft, Tradition und Erbe der von Schwarzhagens. Darauf hatte er gebaut. Auch wenn es hinterhältig war, es ging nicht anders.
»Alles, was Sie vorgetragen haben, stimmt«, sagte Tassilo nachdenklich. »Es freut mich sehr, dass Sie sich derart einsetzen,auch wenn ich es etwas – sagen wir – überraschend finde.«
»Natürlich helfe ich der Familie, Vater.« Viktor sah an ihm vorbei, aus dem Fenster zu den Stallungen mit den geliebten Pferden. Er ging fest davon aus, dass Bernhard wieder versuchen würde, in das Gestüt einzuziehen, solange er nach Pelzen suchte und die Existenz der Kaufmannsfamilie sicherte. Undank war bekanntlich der Welten Lohn. Damit wollte sich Viktor aber nicht abfinden. »Das Gestüt lasse ich bis zu meiner Rückkehr von Susanna verwalten. Bernhard wird keinen Fuß hier hineinsetzen. Versprechen Sie mir, meine Verlobte dabei zu unterstützen?«
»Susanna, meinen Sie … Nun … ja«, stimmte Tassilo zu, der seine Verwunderung noch nicht ganz abgelegt hatte. »Wann beginnen Sie mit Ihren Vorbereitungen?«
»Alles ist schon in die Wege geleitet. Sie haben einmal einen Bekannten der Familie erwähnt, den Marquis Botta D’Adorno in Belgrad. Ich habe mich über ihn erkundigt. Er ist inzwischen Obrist und Stellvertreter von Feldmarschall Prinz Karl Alexander von Württemberg, der eingesetzt wurde, um das Gebiet zu verwalten«, erklärte er. »Ich habe ihm mein Vorhaben geschildert, und er hat mir Unterstützung versprochen.«
Tassilo runzelte die Stirn. »Wäre es nicht klüger, sich etwas besser auf diese Wildnis vorzubereiten, anstatt aufs Geratewohl hinzureisen?«
»Und
wie
ich mich vorbereite, Vater.« Viktor zeigte auf einen Stapel von Journalen und Büchern. »Darin steht, wie sich die Menschen in Serbien und den Banaten verhalten, wie es dort aussieht und vieles mehr. Es sind Abschriften der Protokolle an den Hofkriegsrat zu Wien.«
»Ich bin beruhigt zu sehen, dass diese Unternehmung für Sie etwas Ernsthaftes bedeutet.« Tassilo atmete nochmals tief ein, kniff die Lippen zusammen und strich ihm dann, mit einer soselten vorkommenden wie ungeschickten Geste,
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