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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Profanes wie eine achtstufige Treppe!
    Als er nun, nach wochenlanger Reise, in Belgrad vor der Residenz des Gouverneurs ausstieg, rieb sich Viktor das linke, auf immer beschädigte Knie. Das Gelenk, hatte der Arzt gesagt, sei irreparabel; leider hatte er recht behalten.
    Viktor hob die Augen, musterte den Bau und verfluchte die lange Treppe, die zum Eingang führte. Das Hinken grämte ihn inzwischen nicht mehr, es war ein Teil von ihm geworden und hatte ihm ein Accessoire in Form eines Gehstocks mit einem eingearbeiteten Degen beschert, wie es einem Mann seines Standes gebührte.
    Er arbeitete sich Stufe um Stufe nach oben, reichte dem Diener sein Empfehlungsschreiben und wurde durch weite Flure zu D’Adorno geführt, der in einem hohen und sehr kargen Raum sein Dienstzimmer eingerichtet hatte.
    Hinter dem gewaltigen, ausladenden Schreibtisch saß der Mann, den Viktor auf höchstens dreißig Jahre schätzte. Er sah verloren und klein aus, daran änderte auch die mit Orden und Abzeichen dekorierte Uniformjacke nichts. Jeder, selbst der eindrucksvollste Hüne, wäre hinter diesem Schreibtisch degradiert worden. Ein Sekretär stand neben D’Adorno und reichte ihm eben ein paar Unterlagen, nahm dafür zwei dicke Mappen an sich und sah den Besucher vorwurfsvoll an. Ein weiterer Diener schenkte eine heiße, schwarze Flüssigkeit in die Tasse des Gouverneurs, es roch nach starkem Kaffee.
    »Ich grüße Sie, Herr von Schwarzhagen«, rief D’Adorno, der nun, auf den zweiten Blick und ohne den Eindruck des gewaltigen Tisches, doch mehr wie ein König denn ein Verwalter aussah. »Ihr Kommen wurde mir angekündigt.« Er bedeutete seinem Besucher, sich ihm gegenüberzusetzen. »Ich habe genaudas Richtige für Sie: Mokka, türkisches Konfekt und gute Vorschläge.« Er lachte heiter.
    Viktor verbeugte sich. »Vielen Dank, Marquis.« Er bekam von dem Diener Mantel, Hut und Stock abgenommen, nahm auf dem Sessel vor dem Schreibtisch Platz und kostete von dem unglaublich starken Getränk. Anschließend vertrieb er das Bittere in seinem Mund mit einem Eckchen des süßen, klebrigen Desserts. »Kriegsbeute?«, fragte er lächelnd.
    D’Adorno lachte auf. »In der Tat, von Schwarzhagen, in der Tat. Die Türken wissen schon, wie man Mokka und Konfekt zubereitet. Jedenfalls habe ich in Wien noch niemals etwas derart Schmackhaftes zu essen erhalten.« Er trank ebenfalls einen Schluck. »Vermutlich wird mich beides zusammen eines Tages umbringen.«
    »Dann hätten die Türken doch über Sie gesiegt, Marquis.«
    »Das will ich ihnen nicht gönnen. Aber ich schwöre, von Schwarzhagen, dass zwei kleine Tässchen genügen, um mich mehrere Stunden wach zu halten. Ein echtes Teufelszeug.« D’Adorno gab sich zu allem Überfluss noch drei Löffel Zucker hinein und versenkte ein Konfektstückchen darin. »Mundet es Ihnen ebenso?«
    Viktor nickte. »Es weckt in der Tat Tote auf, Marquis.« Er sah auf die große Karte mit den von den Türken eroberten Gebieten. »Doch nun erzählt mir etwas über die neuen Ländereien des Kaiserreichs. Ist es dort denn noch immer ruhig, Marquis?«
    »Sicher. Die Leute haben Prinz Eugen von Savoyen mit Tränen in den Augen begrüßt, als er sie von den Türken befreit hat. Man nimmt zumindest an, dass es Tränen der Freude waren.« D’Adorno nahm einen Zeigestock vom Rand des Schreibtisches, erhob sich und stellte sich unterhalb der Karte auf. »Aufgepasst, werter Herr von Schwarzhagen. Wir befinden uns hier.« Er tippte auf Belgrad. »Die Türkengrenze ist nicht allzu weit von unsentfernt, und ich möchte Ihnen nahelegen, dass Sie sie auch nicht überschreiten. Überlassen Sie das den Jägern, die für Sie Pelze herbeischaffen. Die wissen besser, wie man ungesehen die Seiten wechseln kann.« Die Spitze des Stocks fuhr die rote Linie entlang, und er wollte gerade noch etwas hinzufügen, als es klopfte und ein Mann eintrat. Den sehr teuren, aufwendig gestalteten Kleidern nach handelte es sich um einen Adligen. »Störe ich, Marquis?«
    »Graf Cabrera! Welche Freude, einen Haudegen wie Sie hier zu sehen.« D’Adorno salutierte, und der Besucher erwiderte den militärischen Gruß. Viktor erhob sich und neigte den Kopf. »Kommen Sie heran, Graf. Ich berichte unserem jungen Freund hier gerade, was wir alles für das Kaiserreich erobert haben.« Das Ende des Zeigestocks legte sich auf Viktors Schulter. »Viktor von Schwarzhagen, der Sohn eines guten Bekannten und auf der Suche nach Pelzen, um Geschäfte damit zu

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