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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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wagte keinen Widerspruch, sondern setzte sich an die angewiesene Stelle. Die Kissen waren sehr weich und bequem, sie rochen nach Tabakqualm und Lavendel.
    Jitka schaute aus dem Fenster. Sie konnte die Straße und die Kutsche sehen. Die Schimmel standen still und ließen sich durch die vorbeitreibende Menge nicht beeindrucken. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, wenn ein Dieb sich an ihnen zu schaffen machen würde. Karol besaß ihrer Ansicht nach zu viel Vertrauen in die Tiere.
    Nachdem Jitka die Schimmel eine Zeitlang beobachtet hatte, stellte sie fest, dass sie sich nicht so benahmen wie die Pferde, die sie aus dem Dorf kannte. Die meisten waren eher ängstlich und schreckhaft – diese hier beobachteten die Umgebung wie aufmerksame Wachhunde. Ihnen schien nichts zu entgehen, und als ihnen ein grobschlächtiger Mann im Vorbeilaufen zu nahe kam, zeigten sie kein Anzeichen von Furcht, sondern stießen ein warnendes Schauben aus. Jitka fand ihr Verhalten ebenso rätselhaft wie faszinierend.
    Der Orientale näherte sich mit Chai und weißem Konfekt. Er verbeugte sich mehrmals und stellte die Sachen vor Jitka auf den Messingtisch, um sich gleich darauf zurückzuziehen.
    Sie kostete zuerst den Tee. Er schmeckte unglaublich intensiv nach Pfeffer und vielen ihr unbekannten Gewürzen. Der türkische Honig verlief regelrecht auf ihrer Zunge, ehe er weich die Kehle hinabrann und einen süßen, nussähnlichen Geschmack verströmte. Sie mochte beides auf Anhieb, trank, kaute und seufzte zufrieden.
    Ihre größte Hoffnung war nach all den Jahren doch noch wahr geworden: Sie hatte einen Vater! Bald würde er mit ihrer Mutter zurückkehren, und Jitkas Leben würde endlich so schön werden, wie sie es in ihrem Traum gesehen hatte. Ihr Vater war ein freundlicher und reicher Mann, der von nun an für die Familie sorgen würde. Vielleicht würden sie nach Belgrad ziehen, in diese faszinierende Stadt, wo niemand sie kannte und sie keine Hänseleien fürchten musste. Nachdenklich rieb sie über den Ärmel, unter dem das Mal verborgen war. Wenn sie es besser vor den Blicken anderer versteckte, käme niemand mehr auf den Gedanken, sie des bösen Blicks zu bezichtigen. Auch Karol sollte es vorerst nicht sehen.
    Während sich Jitka die unterschiedlichen Möglichkeiten des neuen Zusammenlebens in den buntesten und schönsten Farben ausmalte, verging die Zeit. Sie bekam noch einen Chai undein anderes Stückchen Konfekt, für das sie sich artig bei dem Orientalen bedankte.
    Die Nacht hatte sich endgültig über die Stadt gesenkt, und die Straßen waren inzwischen nahezu menschenleer. Auf dem Halva kauend, das zwischen ihren Zähnen zu einer süßen, knirschenden Masse wurde, sah Jitka wieder hinaus zur Kutsche.
    Sie verschluckte sich beinahe an ihrem Chai: Neben dem Gefährt stand ein Mann – und mit plötzlicher Gewissheit wusste sie, dass es niemand anderer sein konnte als der Unbekannte, den sie an jenem Morgen, als sie mit Martin zum Gehöft gefahren war, an den Steinen gesehen hatte!
    Der Mann trug einen dunkelblauen Rock mit schwarzen und silbernen Stickereien, darüber einen Mantel aus hellbraunem Leder. Er hatte keinen Turban auf dem Kopf, wie sie vorher angenommen hatte, sondern eine aufgetürmte Perücke, in der unzählige blaue Steine glänzten. Es war dieses Funkeln, das Jitka sofort verraten hatte, wen sie hier vor sich sah.
    Der Fremde schlenderte an der Kutsche entlang, die behandschuhten Finger strichen über das Holz, dann legte er ein Ohr dagegen und lauschte.
    Jitka schluckte. Die Zeit schien für einen Moment stillzustehen. Obwohl sie wusste, dass hinter ihr in dem kleinen Lokal noch Menschen waren und der Orientale jeden Moment zu ihr an den Tisch treten konnte, fühlte es sich an, als seien in diesem schrecklichen Moment sie und der Fremde die einzigen Lebewesen in Belgrad.
    Was tue ich jetzt?
    Der Unbekannte näherte sich den Pferden, die warnend schnaubten. Eins von ihnen hob drohend seinen Hinterlauf zum Tritt. Aber der Mann lachte und klopfte dem Tier auf die Kruppe, streichelte es und redete mit ihm; sofort beruhigte es sich.
    Jitka wusste, dass dies nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Mehr denn je war sie sicher, einen Upir vor sich zu sehen – und was noch schwerer wog: Er machte noch immer Jagd auf sie! Mehr denn je benötigte sie einen Beschützer, einen Vater.
    Der Fremde ging vorne um die Schimmel herum und verschwand auf der anderen Seite des Gefährts. Jitka sprang auf ihren Stuhl, um ihn weiter

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