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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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suchten nach Halt, um sich vorwärtszuziehen und der Falle zu entkommen.
    Die übrigen Zingaros drückten die Untote mit Stangen nieder; sie schlug um sich und zertrümmerte das Holz. Schließlich sprengte sie ihr Gefängnis und griff Libor an.
    Er schlug nach der Vampirin, deren Beine genauso abgefressen waren wie der Rest.
    Viktor war gelähmt. Nichts brachte ihn dazu, den Blick abzuwenden, während sein Verstand ihm unentwegt zurief, dass nicht sein konnte, was er da gerade betrachtete. Seine Augen lieferten ihm den schrecklichen Gegenbeweis.
    Libor durchtrennte der Angreiferin einen Unterarm, woraufhin sie brüllte und sich gegen ihn warf.
    Doch da waren bereits die restlichen Männer unter lautem Rufen bei ihnen. Sie schlugen mit den Stangen auf die Beine der Vampirin ein, bis sie abknickten und brachen. Gerade schnellte sie auf einen der Zingaros zu, der sich mit dem Köpfer zu dicht an sie herangewagt hatte, da sprang Libor hinzu und schlug ihr mit dem geweihten Säbel den Hals durch; besiegt stürzte die Vampirin nieder. Noch während sie fiel, warf sich ein Helfer auf sie und rammte ihr einen Pflock durchs Herz.
    Viktor konnte sich nicht von der Stelle rühren. »Was war das?«, flüsterte er entsetzt.
    »Eine Fresserin, Niemez.« Libor atmete schwer, auch ihm war der Schreck gehörig in die Glieder gefahren. »Für die Angehörigen sicherlich die schrecklichste Art der Vampire.« Er beugte sich vor und hob den abgenagten Knochenarm halb in die Höhe. »Sie saugen nicht das Blut der Menschen, sondern bleiben in ihrem Grab und fressen zuerst das Leichenhemd, danachverzehren sie sich selbst. Solange sie damit beschäftigt sind, sterben zuerst die Verwandten, danach die Freunde und dann der Rest des Dorfes.« Er half Viktor beim Aufstehen. »Mir wurde erzählt, dass die Mächtigen unter den Nachzehrern schließlich als Skelett aus dem Grab steigen und den Glockenturm erklimmen. Wenn sie es schaffen, eine Glocke erklingen zu lassen, sterben alle, die den Ton hören. Erst wenn sie den Landstrich entvölkert haben, vergehen sie.«
    Viktors Knie fühlten sich noch immer an wie Sülze, und ohne den Dhampir hätte er sicherlich schon längst wieder im Schnee gelegen. »Das ist unfassbar«, krächzte er.
    Libor führte ihn zu einem Grabstein, an den er sich lehnen konnte. »Wir werfen die Leiche zurück und lassen uns heiße Asche und glühende Kohlen bringen. Der Schädel dieses Scheusals muss unbedingt vernichtet werden.« Er sah, dass der Anblick den jungen Deutschen mitgenommen hatte. »Sind Sie noch immer beseelt von dem Einfall, die Vampire erforschen zu wollen?«
    »Mehr denn je«, gab Viktor leichenblass, aber entschlossen zurück. »Geh nur, Libor. Ich warte hier und schreibe mir das auf.« Er notierte im Schein einer Laterne, was die Männer taten, um eine Rückkehr des Ungeheuers zu verhindern. Obwohl die Gefahr gebannt war, jagte ihm der Friedhof noch immer Angst ein. Er war sich sicher, dass in den Gräbern um ihn herum weitere Vampire lauerten und warteten, bis der Dhampir und seine Sippe gegangen waren. Die Skizze, die er von der Ruhestätte anfertigte, konnte nicht einmal annähernd das Grauen beschreiben, das er empfand.
    Nachdem der Schädel in den Kohlen gelandet war und die Zingaros abgewartet hatten, bis er knackend barst, ging es in einem Triumphzug zurück zum Dorf, wo sie von den erleichterten Menschen empfangen wurden. Sie besprachen sich kurz mit dem Dhampir, dann fuhr der Schlitten weiter.
    »Sie laden uns ein«, übersetzte Libor freudestrahlend. »Das haben wir uns nach dieser Tat wahrlich verdient. Wir sollen unsere Leute holen und uns in der Scheune mit ihnen treffen. Sammeln Sie sich ein wenig, und dann kehren wir ins Dorf zurück, Niemez.« Er schaffte Viktor ins Lager, wo er ihn im Zelt bei einem Tee und in wohliger Ofenwärme zurückließ.
    Viktor fuhr sich durch das Gesicht, und unter den Fingernägeln roch es nach Blut. Er empfand das dringende Bedürfnis, sich von Kopf bis Fuß zu waschen. Seine Übelkeit verflog allmählich. Er spürte nun umso mehr, wie ihn die Ereignisse in seiner Seele berührten.
    Er wurde Zeugen von Dingen, die nur mit Dämonen und übernatürlichen Mächten zu erklären waren, fernab aller Naturgesetze oder Wissenschaften. Tote Menschen konnten sich nicht derart bewegen, schon gar nicht, wenn sie sich selbst das Fleisch von den Knochen fraßen. Dennoch taten sie es.
    Viktor schrieb jedes kleine Detail nieder, beschrieb den Klang der Schreie und den Geruch

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