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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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übrigen schauten zum Feuertanz der Zingaros. »Ich habe meinen Leuten gesagt, dass sie für eine Ablenkung sorgen sollen, während ich nach dem Rechten sehe.«
    Viktor sah das Bändchen, spürte die Lippen der Vampirin auf seiner Haut und begriff, wie nahe er selbst dem Tod gewesen war. Und dem Dasein als Untoter. Er sackte auf ein Fass, Libor reichte ihm einen Becher mit Branntwein. »Eine Tenjac … Was bedeutet das? Und warum hat sie mich ausgewählt?«
    »Tenjac wählen Menschen aus, die sie im Schlaf verführen oder quälen. Hatten Sie in den letzte Nächten Träume, in denen Sie es mit Frauen getrieben haben, Niemez?« Viktor merkte, dass er wohl gerade reichlich beschämt dreinschaute. »Das ist gefährlich«, sagte Libor. »Sie hat Sie ausgesucht, sicherlich schon vor einiger Zeit, und sie wird erst aufgeben, wenn Sie ihr Opfer werden oder die Aufhockerin tot ist. Tenjacs sind sehr selten, Niemez, und wählerisch.« Er sah ihn prüfend an. »Irgendetwas an Euch muss besonders sein, dass es ihre Aufmerksamkeit geweckt hat.«
    Viktor trank den Becher in einem Zug leer und stützte den Kopf. »Wieso hast du es bemerkt?«
    »Sie haben getanzt, und das obwohl Sie mir vorher sagten, dass Sie nicht wollen.« Libor zeigte auf seine Augen. »Das erschien mir merkwürdig, und als ich einen der Dörfler nach der Frau fragte, hat er mich ausgelacht.«
    »Wieso …«
    »Weil er glaubte, dass Sie
allein
tanzen, Niemez.« Libors Gesicht verschloss sich. »Niemand außer Ihnen und mir kann die Tenjac sehen. Sie, weil Sie das Opfer sind, und ich, weil ich ein Dhampir bin.«
    »Mein Gott«, ächzte Viktor und bekreuzigte sich. Er hob das Bändchen auf und legte es sich an. »Sie hat es mir ausgezogen, ohne dass ich es bemerkt habe …«
    Libor verneinte. »Ich denke, dass Sie es selbst waren, Niemez. Sie wird Sie dazu gebracht haben, denn anrühren hätte sie es niemals können.« Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Wir treffen Maßnahmen für die weiteren Nächte. Sie wird nicht näher als bis zum Wagen gelangen, und wenn wir Glück haben, wird sie die Aussichtslosigkeit erkennen und von Ihnen ablassen. Oder wir töten sie vorher.« Libor deutete auf das Fest. »Wir gehen besser. Ich bin müde. Und betrunken. Sonst wäre sie mir nicht entkommen.« Er stieß einen langen Pfiff aus und zeigte auf den Ausgang.
    Die Musik verstummte nach vier weiteren Takten in einem furiosen Abschluss, und die Darbietung endete. Der Heyduck überreichte Libor eine Börse mit Münzen, die sie zum Lohn für die Arbeit erhielten, dann zogen sie zum Lager.
    Viktor schwieg. Aus dem Beobachter, der er sein wollte, war unvermutet mehr geworden. Die Vampire kamen ihm näher, als es ihm lieb war, und kurz bevor ihm Libor ein Kreuz auf die Stirn malte und ihn mit intensiv duftendem Rosenwasser besprengte, so dass er fast keine Luft mehr bekam, spielte er mitdem Gedanken, dieses Land zu verlassen. Bevor ihn die Tenjac bei einem tödlichen Liebesspiel umbrachte.
    Er erschauderte angesichts der Erinnerung. Es war
kein
Trugbild gewesen, er hatte mindestens einmal mit einer Untoten geschlafen! War er dadurch bereits verdammt, oder musste sie ihn umbringen, damit er nach seinem Ableben zum Vampir wurde?
    Ohne eine Erklärung zu finden und eine von Libor zu erhalten, schlief er ein.

XVIII.
Kapitel
    10. Januar 1732
In der Nähe von Zajecar (serbisches Gebiet)
     
    S cylla folgte den Spuren der Zingaros und erreichte ihr Lager erst in tiefster Nacht. Sie benötigte länger als erwartet, weil sie unentwegt nach Mareks und Carzics Spionen Ausschau halten musste.
    Carzic hatte anscheinend einen Weg gefunden, das Leben der Schattenvampire, der Umbrae, zu verlängern, und im Austausch dafür leisteten einige von ihnen ihm wohl mehr oder weniger treue Dienste. Wie erkannte man in dunkelster Nacht einen Schatten?
    Daher bewegte Scylla sich entgegen ihrer Gewohnheit ohne die geliehene Kutsche. Mal flog sie als Eule, mal rannte sie als Fuchs und überquerte dabei überwiegend freies Feld, wo der helle, reine Schnee ihr bester Verbündeter war; ihren Dolch trug sie dabei in den Krallen oder in der Schnauze, je nach Tiergestalt. Ihr gefiel gar nicht, dass sich die Zingaros bei ihrer Reise mehr und mehr ihrer Windmühle näherten.
    Scylla hatte sich den Wagen kaum auf zwanzig Schritte genähert, da vernahm sie ein warnendes Bellen. Ketten klirrten, dann sah sie die Umrisse eines großen Hundes, der zu ihr schaute und Laut gab, bis ihn ein scharfer Ruf zurückzwang.

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