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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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etwa? Ich verwette meinen Rock, dass Ihr für ihn schon ein schönes Plätzchen in Eurem Labor vorgesehen habt.«
    »Und wieder fragt Ihr nach Dingen, die Euch nichts angehen.« Karols Stimme war schneidend, als er auf den Mann zutrat. »Verschwindet! Wir sehen uns noch früh genug. Die nächste Cognatio findet bald statt.«
    Der Mann deutete erneut eine Verbeugung an. »Ich kann es kaum erwarten, Baron.« Er nahm die Hände vom Rücken undvollführte mit der Linken eine übertriebene Geste, um sich zu verabschieden. »Eine gute Fahrt Euch und Eurer Elevin.« Mit diesen Worten drehte er sich um und stolzierte davon. Sein affektierter Abgang täuschte darüber hinweg, dass er sehr genau darauf achtete, diesmal von niemandem gesehen zu werden.
    Karol schnaubte und sah ihm nach, bis der Mann in den Schatten verschwand. Probehalber drückte er die Klinke des Verschlags; die Tür war immer noch verschlossen. »Nun gut.«
    Karol gab sich einige Spritzer Duftwasser aus dem Flakon, den er in der Manteltasche trug, auf die Hände und betupfte Hals und Nacken. Das unerwartete Wiedersehen hatte ihn mehr aus der Fassung gebracht, als ihm lieb war. Doch nun lag eine weitaus härtere Prüfung vor ihm.
     
    Als ihr Vater endlich wieder hinter der Kutsche hervortrat, atmete Jitka erleichtert auf. Sie zitterte vor Aufregung und Angst.
    »Da war niemand.« Karol scheuchte sie von der Tür auf ihren Platz zurück und folgte ihr gemessenen Schrittes. »Wie kommst du denn darauf, dass in Belgrad ein Upir umgehen soll?«
    Das Mädchen schluckte. »Er … er könnte mir gefolgt sein.« Jitka betrachtete sein Gesicht. Ob er sie auslachen würde? Als Karol keinerlei Anstalten machte, erzählte sie ihm von ihrem Erlebnis und jenem Tag, an dem sie nach ihrer Flucht den Upir mit der Perücke gesehen hatte. Je mehr sie davon erzählte, desto häufiger wanderte ihr Blick wieder zu den falschen Haaren ihres Vaters, in denen es ebenfalls funkelte.
    Karol hatte ihr aufmerksam zugehört. »Eine interessante Geschichte, Tochter, und beängstigend.«
    »Also glaubst du mir?«
    Er nickte. »Aber natürlich. Du hattest großes Glück, dass dich der Upir verschonte. Wenn du ihn noch einmal zu Gesicht bekommst,ruf mich sofort. Ich bin das Kämpfen gewohnt und kenne … die Eigenheiten dieser Wesen.«
    »Hast du deine Perücke von einem von ihnen?«, platzte es aus dem Mädchen heraus. »Warum trägst du den gleichen Schmuck wie sie?«
    Karol lächelte. »Du musst noch viel lernen, kleine Nachtigall. Dies soll deine erste Lektion sein: Lass nie zu, dass deine Augen dich betrügen. Nur weil zwei Dinge sich äußerlich ähneln, muss keine Gemeinsamkeit zwischen ihnen bestehen.«
    Beschämt schlug Jitka die Augen nieder. »Es … es tut mir leid, wenn ich dich verärgert haben sollte. Ich bin dumm.«
    Lächelnd legte er ihr den Zeigefinger der rechten Hand unters Kinn und hob ihren Kopf sanft an.
    Ein Gefühl von Wärme stieg in Jitka auf. Sie fühlte sich in der Nähe ihres Vaters so viel sicherer als jemals zuvor. Es war richtig gewesen, ihm zu folgen. Doch nun gab es eine drängende Frage, auf die sie sofort eine Antwort brauchte. »Was ist mit Mutter?«
    Er setzte sich neben sie, nahm sie in den Arm und zog sie dichter an sich. »Sie wird nicht kommen, Jitka.«
    »Aber du hast …«
    »Es liegt nicht mehr in meiner Macht.« Karol sah ihr fest in die Augen. »Man hat mir gesagt, dass es einen Unfall gab. Der Wagen, mit dem sie zusammen mit dem Jungen und dessen Familie transportiert wurde, kam vom Weg ab und stürzte in einen Fluss.«
    Jitkas Kinn bebte. »Aber …«
    Karol schüttelte den Kopf. »Niemand konnte sich aus dem Wagen befreien, bevor er unterging. Ihre Seelen sind in den Himmel aufgestiegen.«
    Jitka spürte heiße Tränen emporsteigen, doch sie wehrte sich dagegen. »Nein, Mutter ist nicht tot«, kam es zornig aus ihrem Mund, die kleinen Hände hatten sich zu Fäusten geballt. »Siesitzt am Ufer und wartet, dass wir sie finden. Oder sie ist nach Hause zurückgekehrt und macht sich Sorgen, weil ich nicht da bin!« Sie schluchzte auf. »Mutter ist nicht tot. Sie ist …«
    Karol nahm ihr Gesicht in beide Hände. Sie waren warm und dufteten unglaublich gut. »Jitka, deine Mutter ist zu den Engeln aufgefahren«, sagte er leise und inständig. Die braunen Augen beruhigten Jitka auf der Stelle, sie atmete langsamer. »Ehre ihr Andenken, und sei mir eine gute Tochter, so wie ich alles tun werde, um dir ein guter Vater zu sein.« Karol atmete tief ein

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