Kinder des Judas
ich auch nur auf den Gedanken?« Er lächelte und zeigte lange gebogene Reißzähne, die übrigen Zähne schimmerten wie Messer aus Elfenbein. »Lass mich raus.«
Viktor hob das Kreuz. »Ich bin hier, um dich zu vernichten,Vampir.« Er wunderte sich über das Aussehen und das Verhalten des Untoten, das sich von allem unterschied, was er selbst gesehen oder Libor ihm erzählt hatte. »Im Namen des allmächtigen Gottes …«
Der Vampir legte den Kopf in den Nacken und lachte ihn aus. »Sollen wir zusammen beten, bevor ich dich ebenso zerlege wie diese Idioten hier?« Er nahm ein Kreuz von der Decke und küsste es. »Ich glaube an Gott, Viktor, und seinen treuen Diener Judas Ischariot. Und er glaubt an mich, deswegen tut er mir nichts.« Er schleuderte das Symbol zur Seite und kam langsam auf Viktor zu. »Was tust du jetzt? Hast du mehr dabei als diesen Degen, um mich zu vernichten?«
Viktor stach zu, die Spitze zielte auf das Herz. Tatsächlich fuhr die geschliffene Klinge durch die Kleidung und das Fleisch.
Der Vampir schrie wütend auf und schlug von unten gegen den Degen. Die Kraft reichte aus, um den Stahl zu zerbrechen. Fluchend zog er sich das Stück, das in ihm steckengeblieben war, aus dem Körper und hielt es anklagend in die Höhe. »Das war nicht nett, Viktor. Und dazu noch sinnlos. Du musst mein Herz vollkommen zerstören, um mich zu vernichten. Mit einem Degen gelingt dir das nicht.«
Viktor wich vor dem Vampir zurück und versuchte, die Klinke der Tür herabzudrücken, um ihm zu entkommen, aber sie bewegte sich nicht. Die Dörfler hatten dafür gesorgt, dass er nicht vor dem Ungeheuer aus der Hütte trat.
Der Vampir grinste unvermittelt. »Ich habe nachgedacht. Unsere Begegnung ist sicherlich zu mehr gut.« Er vollführte eine höfische Verbeugung. »Beginnen wir von vorne: Mein Name ist Carzic, und ich würde dieses heruntergekommene Haus sehr gerne verlassen, in das man mich gelockt hat. Ich schlage dir einen Handel vor, Viktor.« Er nahm die Kerze und zeigte auf den Türsturz, wo im Lichtschein kurz etwas aufblitzte. »Es istnur eine Frage der Zeit, bis ich dank meiner Kräfte ohnehin entkomme, aber warum sollte ich es unnötig schwer machen? Ich muss mich nicht anstrengen, und du kannst dir dein Leben bewahren. Siehst du die Messer, die unter und über den Fenstern stecken? Entferne sie. Andernfalls zerreiße ich dich und trinke dein Blut. Auch wenn die Baronin danach noch wütender auf mich wäre.«
Viktor schaute nach den Messern und erinnerte sich an Libors Erklärung. Es lag also nicht an den Kreuzen, dass der Vampir ein Gefangener war, sondern an den spitzen, scharfen Klingen! Damit kannte er eine Schwäche der Judaskinder. »Sie werden das Haus niederbrennen, wenn ich nicht als Sieger herauskomme«, log er.
Carzic stellte die Kerze zurück, entfernte sich und hob etwas vom Boden auf, das Viktor erst beim zweiten Blick als eine Perücke erkannte: Sie war rot vom Blut der Unglückseligen. »Umso besser. Sobald ich eine kleine Lücke in diesem armseligen Gefängnis finde, bin ich entschwunden.« Er näherte sich ihm wieder. »Was ist, Deutscher? Kommen wir ins Geschäft, oder habe ich das Vergnügen, das Schoßhündchen der Ausgestoßenen zu töten?« Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde berechnend. »Oder sollte ich dich lieber mitnehmen?«
Was Viktor bislang vernommen hatte, gefiel ihm nicht. Schon als die Rede auf die Baronin gekommen war, hatte er an die Unbekannte denken müssen, der er verfallen war. Nach Carzics ganzen Andeutungen gärte in seinem Verstand eine schlimme Vermutung. »Ich werde dir helfen – wenn du mir mehr über die Kinder des Judas berichtest«, verlangte er.
Carzic schüttelte den Kopf und wischte sich gerinnendes Blut aus dem Gesicht.
»Die Sonne geht soeben auf. Du kannst nirgends hingehen. Warum also nicht verweilen und dich mit mir unterhalten?«
»Weswegen, mein neunmalkluger Freund?«, erwiderte Carzicgefährlich leise. »Du siehst, was der Hunger mit mir macht, und was ich wiederum mit denen mache, die meinen Hunger stillen sollen. Leider habe ich sehr viel Blut vergeudet, und deswegen …« Er leckte das schlierige Blut von den Fingern und sah Viktor dabei gierig an, Wahnsinn flackerte in seinen Augen. »Ich frage nicht noch einmal, ob wir ins Geschäft kommen.«
Viktor sah es als sicher an, dass ihn der Vampir nicht am Leben lassen würde, ganz gleich, was er tat. Von dem Scheusal mitgenommen werden wollte er ebenso wenig. Langsam bewegte er
Weitere Kostenlose Bücher