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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Züge erschienen in dem orangefarbenen Licht noch dämonischer, die Glut entfachte Schwelbrände in der Kleidung und in den bluttriefenden Haaren des Barons.
    Der Vampir ließ sich von der Attacke nicht abbringen. Er beugte sich grollend über Viktor, der jetzt den Pflock aus dem Gürtel nahm. Zum Zustoßen kam er nicht mehr, der Baron warf sich auf ihn – und trieb sich damit die Spitze des Holzstücks selbst durch den Körper.
    Mit einem Schrei ließ er von Viktor ab, der sich diesem Gegner nicht weiter stellen wollte. Er robbte zurück, während der Vampir vor ihm brüllte, zog sich am Tisch in die Höhe und warfsich mit letzter verbliebener Kraft durch das Fenster, dessen Scheiben er vorhin bereits zerstört hatte.
    Die Bahn seines Fluges veränderte sich gegen seinen Willen. Hände schoben ihn nach oben, er kippte mit dem Oberkörper nach vorne weg, so dass sein Steißbein den Rahmen streifte; auch die Beine prallten dagegen, dann durchbrach er schließlich die Fensterläden und landete im Schnee.
    Sein Unterschenkel brannte, und als er sich herumrollte und danach schaute, sah er einen langen Schnitt. In seinem Bein steckte das Messer, das über dem Fenster angebracht gewesen war. Damit stand dem Vampir ein Ausgang frei!
    Die Sonne war zu seiner Verwunderung verschwunden. Finstere Wolken hatten sich am Himmel zusammengezogen und schirmten das Taggestirn ab, es donnerte laut. Der Wind hatte aufgefrischt und trieb Schnee umher, in dem Gestöber verschwamm die Umgebung zu Silhouetten. Viktor ahnte, auf wen diese schlagartige Veränderung des Wetters zurückging. Der Vampir hatte seine Kräfte doch benutzt.
    Die Dorfbewohner kamen angerannt, der Pope stellte sich beherzt vor das offene Fenster und hielt eine Ikone in den Händen, weil er sich der abschreckenden Wirkung auf den Untoten sicher glaubte.
    »Nein!«, schrie Viktor zur Warnung, doch da erschien der Vampir.
    Carzic sprang auf das Sims, warf sich mit weit geöffnetem Mund auf den Geistlichen und zerriss ihm mit einem einzigen Biss den Hals; die Adern standen zerfetzt hervor, und der Pope gurgelte fürchterlich, weil er gleichzeitig erstickte und verblutete.
    Die übrigen Männer liefen auf der Stelle davon, doch der Vampir verfolgte sie lachend. Sie verschwanden in dem dichten weißen Treiben, und Viktor vernahm lediglich die Schreie der Unglücklichen.
    Plötzlich stand eine Frau neben ihm, die ihm die Hand hinstreckte. »Kommen Sie, Herr von Schwarzhagen«, sagte sie, und er erkannte die Baronin. »Das hier ist nichts für Sie. Wählen Sie einen anderen Tag zum Sterben. Und sterben Sie erst recht nicht auf diese Weise.«
    Viktor ergriff die Finger, die ihn trotz seines Gewichts ohne Mühe in die Höhe zogen. Sie legte seinen Arm um ihren Hals und stützte ihn. Sie trug wieder den grünen Mantel. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    Sie lächelte ihn unergründlich an. »Ich war niemals weit weg.«
    Sie führte ihn durch den Sturm zu einer Kutsche und lud ihn ins Innere. Sie setzte sich ihm gegenüber, nahm mit ihren behandschuhten Fingern eine Phiole aus einem hölzernen Köfferchen, das neben ihr auf dem Polster stand, und reichte es ihm. »Trinken Sie das, Herr von Schwarzhagen. Es hilft gegen die Schmerzen.«
    Er nahm das Behältnis an sich, betrachtete die gelbe Flüssigkeit, dann schaute er zu ihr. Als er in die dunkelgrauen Augen sah, die ihn freundlich und auffordernd anschauten, gab es nicht einmal den Hauch eines Nachdenkens. Was immer es war, er würde alles von ihr nehmen.
    Viktor entfernte den Verschluss und leerte den Inhalt, der süß und bitter zugleich schmeckte.
    Noch beim Schlucken schlief er ein.
     
    5. Februar 1732
Habsburgisches Territorium (serbisches Gebiet)
     
    Scylla hielt Viktors Hand. Sie saß neben seinem Bett, kontrollierte seinen Herzschlag sowie die Temperatur. Einmal am Tag nahm sie ihm Blut ab, um seine Beschaffenheit unter dem Mikroskop zu überprüfen.
    Das Mittel, welches sie ihm gegeben hatte, ließ ihn eine knappe Woche schlafen, und diese Zeit hatte sein Körper genutzt, um die äußerlichen Wunden zu schließen und sich zu erholen. Ihr war es sogar gelungen, die Erfrierungen an den Füßen zu heilen. Die größte Überraschung würde er jedoch beim ersten Auftreten erleben.
    Sie trug ein einfaches weißes Kleid, auf dem schwarze Stickereien über der Brust angebracht waren, die Seiten waren schlank geschnitten und hoben ihre Figur besonders hervor; dennoch war das Kleid angenehm zu tragen, über den roten Haaren lag

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