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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Jedenfalls für die nächsten Stunden. Das Kind würde noch Jahre an diesem großen Kummer leiden. Und es würde nicht die letzte grausame Wahrheit sein, die sein Leben von nun an bestimmen würde.
    Er überlegte, wann er ihr Weiteres zumuten konnte. Wahrheiten, die selbst manchen Erwachsenen in den Wahnsinn treiben konnten.
    Es hat Zeit, Karol
, sagte er zu sich selbst. Die Kutsche holperte über die unebene Straße die Donau entlang und strebte ihrem Ziel zu: der Furt.
    Und von dort ging es zur Mühle.
     
    6. April 1670
Osmanisches Tributland
     
    »Da vorne ist dein neues Zuhause.« Karol lenkte die Kutsche durch einen finsteren Tannenwald, der so dicht war, dass er das Licht der untergehenden Sonne fast ganz verschlang. Raben stiegen krächzend in den grauen Himmel und zogen in großen schwarzen Kreisen über die Wipfel. Der kühle Abendwind brachte die Zweige zum Schaukeln, und Jitka hörte ihr leises Rauschen; es roch nach Harz und schwerem, feuchtem Nadelboden.
    Der zunächst sehr verschlungene Weg verlor immer mehr Windungen und lief schließlich schnurgerade aus dem Wald heraus und auf einen Hügel zu, auf dem sich eine massive achtflügelige Windmühle erhob. Das Bauwerk war enorm und erinnerte an einen Festungsturm.
    Die einzelnen Segel hatten eine Länge von neun Metern, vier von ihnen waren gehisst und ließen die Flügel langsam kreisen. Der obere Teil der Mühle, die Kappe, war drehbar gelagert, so dass der Wind stets gefangen wurde, gleich aus welcher Richtung er kam; anstelle eines Dachs trug sie Zinnen.
    Gleich neben dem eindrucksvollen Gebäude war eine Scheune gebaut worden, die zwar deutlich kleiner war, aber einen nicht minder standhaften Eindruck machte. Ihre beiden Stockwerke waren aus breitem Fachwerk und großen, soliden Steinen errichtet worden, um den Elementen zu trotzen, denen sieauf dem Hügel ausgesetzt war. Das Dach war niedrig, damit die Flügel sich problemlos drehen konnten.
    Jitka wusste nicht, was sie erwartete. Sie zweifelte nicht, dass diese Unterkunft mehr als ein Zimmer besaß und bei starkem Regen dicht hielt, aber es wirkte düster und furchteinflößend. Hier hätte es der Mutter nicht gefallen.
    Zudem: Nur Zauberer, Dämonen und böse Geister wohnten in Windmühlen, das hatten die Zingaros, die gelegentlich zur Tagelöhnerei ins Dorf gekommen waren, immer erzählt. Die Stürme trieben das Unheil aus dem gesamten Umland an jene Orte, wo das Böse sich in den Zahnrädern und Walzen verfing. Je prächtiger und schöner eine Windmühle war, desto mehr Macht und Kraft besaß der Dämon, der dort gefangen saß.
    Ihre Mutter hatte diese Geschichten immer als Unsinn abgetan, aber wenn sie doch stimmen sollten, hauste in dem Bauwerk auf dem Hügel etwas sehr Gefährliches. Jitka zog die Decke um die Schultern und schluckte.
    Karol bemerkte den Stimmungswandel. »Bereust du schon, dass du mich begleitet hast?« Sie schüttelte rasch den Kopf, und er musste lachen. »Selten habe ich jemanden so schlecht lügen sehen.« Er strich ihr über den schwarzen Schopf. »Ich richte dir ein Bad, wenn wir zu Hause sind, damit die Kälte der Reise aus deinem Körper schwindet.«
    Die Schimmel kannten den Weg von selbst, also hängte Karol die Leine an den Bock und stieß einen gellenden Pfiff aus. Daraufhin schwangen die Tore der Scheune wie von Geisterhand auf, darin entflammten Lampen und begrüßten sie mit freundlichem Schein.
    Jitka war gleichermaßen erstaunt und erschrocken. »Vater, was … bist du … ein Zauberer?«
    Die Pferde schnaubten freudig, als der Wagen in der Scheune zum Stehen kam.
    Karol sprang auf den strohbedeckten Boden und half Jitkabeim Absteigen. »Willkommen, meine Tochter.« Er behielt sie auf dem Arm und deutete im Raum umher. »Um ein Tor zu öffnen und die Lampen zum Leuchten zu bringen, muss man kein Zauberer sein. Aber das wirst du noch herausfinden.« Er ging mit ihr nach vorne zu den Schimmeln und zeigte ihr, welche Schnallen sie lösen musste, um die Tiere auszuspannen. Lederriemen fielen auf den Boden. Als sie vom Geschirr befreit waren, trotteten sie in ihren Stall und machten sich über ihr Fressen her.
    Das Mädchen hatte alles genau mitverfolgt. »Sie gehorchen dir, ohne dass du ein Wort zu ihnen sprichst oder sie lenkst, und sie haben in Belgrad die Kutsche bewacht, als wären sie Wachhunde.« Jitka drehte das Gesicht zu ihm und bekreuzigte sich, dabei strampelte sie und rutschte zu Boden. Sie machte zwei langsame Schritte rückwärts. »Ich glaube,

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