Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
Vom Netzwerk:
du bist doch ein Zauberer!« Sie spähte über die Schulter, ob das Tor noch geöffnet war. Daran, dass sie plötzlich einen Vater haben sollte, hatte sie sich gewöhnt, auch an sein prunkvolles Auftreten und die Perücke, die an den Upir erinnerte – aber das merkwürdige Haus ließ ihr Misstrauen erneut aufflackern.
    Karol legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Oh, Tochter! Was für ein Unsinn! Ich habe noch keinen Müller gesehen, der etwas mit der Hölle zu schaffen hatte.« Er musterte sie. »Was möchtest du tun? Vor mir davonlaufen?« Er brummte belustigt. »Nehmen wir an, ich wäre ein Zauberer, dann sollte dir eine Flucht wenig aussichtsreich erscheinen, nicht wahr? Ich könnte mich in eine Eule verwandeln und dir folgen. Oder den wilden Tieren gebieten, dich zurückzubringen.« Er winkte ab. »Nein, Tochter. Ich bin kein Zauberer. Komm her.«
    Jitka blieb, wo sie war. »Ich bin mir nicht sicher. Wieso flammen dann die Kerzen auf und öffnen sich die Tore von selbst?«
    »Dass ich kein Zauberer bin, bedeutet nicht, dass meine Mühle und die Scheune nicht verzaubert sind, oder? Ich verspreche dir: Eines Tages wirst du verstehen, was hier geschieht. Aber vorher musst du erst die Grundlagen dafür lernen.« Er zog ihre Sachen vom Kutschdach, nahm sie bei der Hand und zog sie auf eine Tür mit vielen Schlössern zu. »Hier siehst du, dass nicht alles von selbst aufschwingt.« Nacheinander öffnete er die Schlösser. Jitka zählte nicht weniger als acht verschiedene Schlüssel, die er an einem großen Bund am Gürtel aufbewahrte. Wie hatte er es geschafft, dass sie sich nicht durch ihr Klirren verrieten?
    Mit einer schwungvollen Bewegung drückte Karol den Eingang auf. »Bitte sehr.« Er verbeugte sich, als sei sie eine Prinzessin.
    In Jitka tobten die Gefühle, und sie sah in den finsteren Durchlass. »Aber es ist dunkel.«
    Er legte den Kopf schief und zwinkerte. »Geh nur. Schau, ob dich das Haus auch leiden mag.«
    Sie suchte all ihren Mut zusammen, machte einen Schritt über die Schwelle – und sofort flammten die Lampen auf! Jitka stieß einen erschrockenen Schrei aus und wollte zurückweichen, da spürte sie bereits die Hand des Vaters im Rücken, der sie zugleich stützte und nach vorne drängte.
    Der Raum dahinter war kreisrund und besaß einen Durchmesser von zehn Metern. In der Mitte verlief die senkrechte Hauptachse der Mühle, die sich leise knarrend um sich selbst drehte. Dem Mädchen gegenüber befand sich eine weitere, mit drei armdicken Eisenriegeln gesicherte Tür, welche den eigentlichen Eingang markierte. Die schmalen Fenster erinnerten mehr an Schießscharten, wie sie Festungen und Burgen besaßen. An der Wand befanden sich Metallklappen, die vor die Öffnungen gelegt werden konnten.
    Jitka vergaß ihre Furcht und machte einen Schritt in den Raum hinein, um die Einrichtung bestaunen zu können.
    Überall standen Vorratskörbe, schwere Kisten und aufwendig geschmückte Truhen. Es gab keinen Staub auf den dunklen Tischen und hellen Schränken, die halbrund angefertigt waren, damit sie sich mit ihren Rücken perfekt an die Mauerwand anschmiegten. Der Herd stand an der Wand, das Abzugsrohr für den Rauch verschwand in drei Metern Höhe in der Decke des ersten Geschosses.
    »So, meine Tochter. Das ist die Küche und der Ort, an dem du dich die meiste Zeit aufhalten wirst. Jedenfalls in der nächsten Zeit. Viel wichtiger wird dann«, Karol legte eine Hand auf ihre Schulter, »das Arbeitszimmer für dich sein. Es befindet sich über uns. Darin stehen meine wahren Schätze, die ich sehr gerne mit dir teilen möchte. Im dritten Stockwerk der Mühle ist das Schlafzimmer, und von dort führt eine kleine Leiter hinauf auf die Plattform.« Er ging mit ihr zusammen zur Wendeltreppe, die unmittelbar neben dem Eingang begann.
    Die Stufen führten sie zu einer Tür. Sie war aus schwerem, massivem Holz gebaut, und dennoch drang der Duft von Papier aus dem Raum dahinter.
    Jitka staunte immer noch mit großen Augen.
Er muss ein Zauberer sein
, dachte sie,
niemand sonst könnte an so einem Ort leben. Aber vielleicht …
Jitka berührte durch ihre Kleidung das Feuermal. Also hatten die Menschen doch recht behalten.
Ich bin wirklich die Tochter eines Zauberers!
    »
Willkommen an einem meiner liebsten Orte auf Erden, Tochter.« Karol öffnete die Tür und schob sie weiter nach vorne. »Ich nenne ihn auch gerne meinen Irrgarten des Wissens«, erklärte er und lächelte, während er in den beleuchteten

Weitere Kostenlose Bücher