Kinder des Judas
Gentlemen all over the world«
, verkündet der Sprecher auf Englisch, denn das Publikum ist international.»
Here is Monsoon! And like the monsoon, he washes his enemies away!«
Er knurrt und schreit Drohungen, tritt gegen die Absperrungen und benimmt sich wie einer dieser schlechten amerikanischen Catcher. Vermutlich wiegt er achtzig Kilo mehr als ich, er dürfte auch zwanzig Zentimeter größer sein.
»Monsoon?«, rufe ich zu Tanja hinüber, die grinst und mit den Achseln zuckt. »Wäre das nicht eher ein Mädchenname?«
»Er hat sich den Namen selbst ausgesucht.« Sie schüttelt die Faust. »Wenn wir schon bei dem Bild sind: Lass ihm das Wasser aus den Augen spritzen!« Dann packt sie Vince am Arm und weicht mit ihm hinter die Absperrung zurück; auch sie versinken in der Schwärze.
Monsoon stapft zum Ring, springt hinauf und bringt bei seiner Landung die Bretter zum Beben. Die Menge klatscht und tobt jetzt schon.
»Ich glaube, ich habe meine Fans an dich verloren«, meine ich zu ihm.
»Du wirst mehr als nur deine Fans verlieren, Schlampe«, röhrt er und schaut abwechselnd in die Kameras, verzieht das Gesicht und zeigt die Muskeln. Er scheint zu wissen, dass Vince seitlich von uns am Ring steht, also gibt er für ihn eine Sondervorstellung. Verdammter Zirkus.
Ich seufze mitleidig und mache ein paar Schritte zurück. Er ist ein Monstrum, und ich weiß, was man mit solchen Gestalten macht. »Für Thea«, sage ich und bleibe entspannt stehen, während er mit großer Geste die Finger spreizt und angriffslustig auf das Signal wartet. Im schwachen Licht glitzern seine Knöchel auf. Er trägt Handschuhe, aus denen lange, spitz geschliffene Nieten hervorschauen. Das kann schmerzhaft werden.
Kaum erklingt das Signal, da stürmt er auch schon wie ein wütender Stier auf mich zu und ist dabei erstaunlich schnell. Zu schnell für einen normalen Mann mit seinem Gewicht undseinen Muskeln. Sein Trainer, Sponsor oder wer auch immer hat ihm wohl irgendwas gegeben, was furchtbar illegal ist. Benzedrin?
Ein Selbstmörder würde stehen bleiben. Ich dagegen gehe tief in die Hocke und stoße mich ab. Für einen Sprung über den Drei-Meter-Turm reicht es nicht, aber an dem Brett hätte ich mich sicherlich festhalten können. Ich spreize dabei die Beine und spüre, wie meine Muskeln sich dehnen. Auf einen solchen Spagat wäre jede Kunstturnerin neidisch.
Monsoon rast unter mir durch wie ein Güterzug und landet in den Stacheldrahtseilen. Im Sprung drehe ich mich, lande ihm zugewandt auf dem Boden und verschränke demonstrativ entspannt die Arme vor der Brust.
»Du verfickte Schlampe!«, schreit er und fährt herum. Überall auf seinen Oberschenkeln, der Brust und den Armen sind die kleinen Einstiche des Stacheldrahts zu sehen. Er nähert sich mir erneut, dieses Mal vorsichtiger und langsamer. Er hat gelernt.
Monsoon macht eine plötzliche Vorwärtsbewegung und versucht, mich mit seinen gespickten Handschuhen an der Brust zu erwischen. Ich ducke mich, laufe an ihm vorbei auf die andere Seite des Rings und springe mit meinem vollen Gewicht auf das oberste Seil, wobei ich darauf achte, eine Lücke zwischen den hervorstehenden Metalldornen zu treffen. Sofort stoße ich mich wieder ab, drehe mich dabei und katapultiere mich geschossgleich mit ausgestreckten Beinen auf den Muskelberg zu.
Meine Stiefel prallen gegen seine Schlüsselbeine, er gerät ins Wanken und stürzt rücklings; ich lasse mich auf den Ringboden fallen und stehe gleich wieder auf. Zwei schnelle Griffe – schon ist er seine Schuhe los. Das hat er nun von den einfachen, ungeschnürten Sneakers.
Die Demütigung quittiert er mit einem überraschend schnellen Faustschlag, der mich unterhalb des Kinns trifft und nachhinten wirft. Mich hat es schon oft erwischt, aber noch nie am Kinn und mit solchen Nieten. Dieser Schmerz ist neu.
Neu und merkwürdig … anregend!
Im Fallen werfe ich die Schuhe weg, damit er keine Gelegenheit mehr bekommt, sie anzuziehen, da erhalte ich einen Tritt in die Seite. So ähnlich musste es ich anfühlen, von einem Auto angefahren zu werden. Mich hebt es von den Brettern. Sofort packen grobe Finger meine Haare und schleudern mich daran herum, ehe ich im Stacheldraht lande; wieder drischt er zu, die spitzen Nieten malträtieren meine Schulter und dringen tief ins Fleisch ein. Monsoon lacht und gibt mir neue Spitznamen, die ich nicht haben will. So ein Wichser!
Meinen Dank bekommt er mitten ins Gesicht, das ich wegen seines Lachens sehr
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