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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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deutet auf das Telefon. »Der Boss will es so. Eine PR-Kampagne, getarnt als Enthüllungs-Skandalbericht. Sei billiger als Werbung«, gibt sie die Unterredung wieder. »Wir sollen kooperieren.« Sie packt das Handy weg.
    »Okay, dann kann es losgehen.« Vince hebt die Kamera. Er riecht nach
Joop
. Dem lilafarbenen. »Was geht heute ab, Hel? Man sagt, Sie können über einen Drei-Meter-Turm im Schwimmbad springen.«
    »Das ist übertrieben.« Mich nervt Vince, ich überlasse Tanja das weitere Antworten.
    »Der Kampf geht mindestens über drei Runden mit jeweils drei Minuten«, ruft sie schnell. »Die vierte Runde ist ohne Limit und endet mit dem Sieg eines Kämpfers.«
    Während Tanja dem Plagegeist, gegen die laute Musik anbrüllend, Rede und Antwort steht, lasse ich meinen Blick über das Publikum gleiten. Ich erblicke geschätzte einhundert Menschen, die in angemessenem Abstand um den Ring versammelt sind. Keiner von ihnen hat weniger als dreitausend Euro fürden Spaß bezahlt. Natürlich ist auch wieder dieses stinkreiche Mädchen da, eines der sogenannten It-Girls, junge Frauen, die ihren Status in der Klatschpresse nach der Häufigkeit erhalten, mit der sie bei Events auftauchen. Früher waren sie in erster Linie bei Society-Veranstaltungen zu finden, mittlerweile mögen sie es auch verrucht und dreckig. Mit Sicherheit hat sie Wind von der Reportage bekommen. Wie war noch gleich ihr Name … egal. An ihrer Seite sitzt ein Typ, der wie ein gealterter Orlando Bloom aussieht. Ob es ihr Vater oder ihr Geliebter ist?
    Das Saallicht erlischt, nur der Ring ist noch schummrig beleuchtet. Die gaffende Menge verschwindet in der Dunkelheit. Ich sehe mir an, was meine Freunde von der »Requisite« vorbereitet haben: Vier Tische sind um den Ring aufgestellt worden, darauf liegen Neonröhren, mit Stacheldraht umwickelte Latten, dünnwandige Glasflaschen. Ich benutze sie niemals, aber meine Kontrahenten und das zahlende Publikum stehen darauf.
    Vince hat meinen Blick bemerkt. »Was macht man damit?«
    »Auf die Tische haben Hel und ihr Gegner erst Zugriff ab Runde zwei, vorher sind nur die Waffen erlaubt, die sie im Ring finden.« Tanja nimmt ihr Notepad aus der Tasche. »Heute wären das zwei Bürotacker und Teppichmesser-Klingen«, liest sie vor, um alles korrekt wiederzugeben.
    Vince ist beeindruckt. »Wie viele Tote gibt es denn hier pro Kampf?«
    »Es geht nicht darum, meinen Kontrahenten zu töten, auch wenn es mir ein Leichtes wäre«, sage ich herablassend.
    »So, wäre es das?«
    »Ich bräuchte höchstens zehn Sekunden.«
    »Das möchte aber keiner«, hakt Tanja ein. »Die Menschen vor den Computern und in der Halle haben bezahlt, um Kämpfe zu sehen, und die gehen so lange, bis einer aufgibt. Natürlich fließtdabei Blut. Aber wenn Sie einmal da hinten hinsehen wollen – da steht ein komplettes Rettungsteam bereit, falls es zu lebensgefährlichen Verletzungen kommen sollte.«
    »Also keine Toten?« Jetzt klingt Vince enttäuscht. Vermutlich denkt er daran, wie viele Zuschauer nach diesem verharmlosenden Statement bei der Ausstrahlung des Berichts auf einen anderen Kanal wechseln werden.
    Ich hebe kurz die Hand, um die Menschen in der Finsternis zu grüßen, und nicke dann in Richtung der Kameras. Es sind knappe und verächtliche Gesten, großes Showgehabe liegt mir nicht.
    Wie gut, dass die Scheinwerfer den Ring und sonst nichts beleuchten. Mir geht es nicht um die Bewunderung der tumben Masse, sondern um den Kampf, die Schmerzen – mein Ventil. Am liebsten wäre mir eine geheimere Zusammenkunft wie in dem Film
Fight Club
, ohne den lächerlichen Zirkus, die Meute im Studio und die anonymen Spanner in der ganzen Welt. Ein netter kleiner Hinterhof, eine verschworene Gemeinschaft, harte und kernige Fights, danach verschwindet jeder wieder in seiner Welt – das wäre es. Da ich diese verschworene Gemeinschaft noch nicht gefunden habe, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Mist mitzumachen.
    Die Musik wechselt, aus dem Rock wird ein brachiales Industrial-Noise-Gewitter. Ein Spot-Scheinwerfer beleuchtet den Einzug eines Testosteron-Anabolika-Steroid-Monstrums, das die Veranstalter vermutlich in einer heruntergekommenen Muskelbude gefunden haben. Der kahle Kopf wirkt zu klein für den Körper, sieht aus wie falsch aufgeschraubt. Ich muss an Theas Monster denken, vor denen sie sich gefürchtet hat. Natürlich jubelt das It-Girl ihm zu, ich höre es ganz genau. Die beiden wären ein schönes Paar.
    »
Ladies and

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