Kinder des Judas
gut treffe, ohne hinschauen zu müssen. Mein Schlag ist hart, abrupt verstummt er, die Kraft hat ihn überrascht. Ich werde losgelassen, nicht ohne einige schwarze Strähnen zu verlieren.
Keuchend weiche ich dem nächsten Angriff aus und gelange hinter ihn, meine Hand wandert auf meinen Rücken – und greift ins Leere. Angewohnheiten sind schwer abzulegen.
Ich ramme ihm mein Knie mehrmals in die Nieren; dabei folge ich seinen Bewegungen und lasse nicht locker. Ein Terrier gegen einen Stier.
Als das Signal für die Pause erklingt, lasse ich sofort von ihm ab und ziehe mich zurück. Und auch ich habe den Kampf bis jetzt genossen, in meinem Kiefer klopft und pocht es, meine geschundenen Schultern brennen, warm läuft mein Blut herab. Es macht mir nichts. Schmerzen zeigen mir, dass ich lebendig bin. Das ist alles, was zählt. Monsoon ist nicht mehr als ein Kraftbündel und kaum gefährlich. Die Nieten werde ich aus der Schulter pulen lassen müssen. Ich weiß, wie es enden wird …
Tanja schreit laut auf.
Ich mache einen blitzschnellen Ausfallschritt zur Seite – undMonsoon hängt schon wieder in den Stacheldrahtseilen. »Hast du was an den Ohren?«, beschwere ich mich. »Es ist Halbzeit.«
Er kreischt los, reißt an den Seilen, bis er tatsächlich eines aus der Verankerung gelöst hat, und schlägt damit nach mir; dass er sich dabei die Handflächen aufreißt, scheint er nicht zu spüren.
Ich weiche den Attacken aus. »Dann gibt es heute eben keine Pause«, sage ich grimmig, fange das heranzischende Seil und lasse es zurückschnellen. Im Gegensatz zu ihm verletze ich mich nicht. Man muss nur wissen, wie man Stacheldraht anpackt.
Das Seil trifft ihn quer ins Gesicht, der Eisenkuss beschert ihm lange rote Streifen. Rasend vor Zorn hetzt er auf mich zu, blutend wie ein perforierter Transfusionsbeutel. Seine Schläge hageln mit erschreckender Geschwindigkeit auf mich nieder: Schwinger, Haken, Geraden feuert er gegen mich ab. Ich blocke sie ebenso rasch, ohne dass mich die Nieten erwischen; meine Arme erleiden Prellungen, süßer Schmerz jagt durch sie hindurch. Aber ich begehe den Fehler, mich in eine Ecke drängen zu lassen. Schon schnellt sein nackter Fuß nach vorne und schleudert mich rückwärts gegen den Pfosten. Durch die Wucht überschlage ich mich und stürze aus dem Ring, genau auf den Tisch mit den bereitliegenden Neonröhren. Klirrend, knisternd und platzend bersten sie unter mir und stechen Splitter in meinen Leib. Ein Spot erwacht und beleuchtet uns: zwei Flugzeuge im Flakscheinwerfer.
Als Monsoon neben mir landet, bricht der Tisch zusammen. Ich stemme mich auf die Füße, er packt eine intakte Neonröhre und zerschlägt sie auf meinem Rücken, trifft dabei auch meinen Kopf.
Benommen gehe ich in die Knie.
Wieder greift er nach meinen Haaren, zieht mich hoch und schlägt mir den Ellbogen dreimal ins Gesicht, bis sich einschwarzer Vorhang vor meine Augen senkt. Es ist eine Warnung an mich, dass der Spaß bald ein Ende nehmen muss. Für ihn und für mich.
Die sensationsgeile Menge grölt begeistert, weil alle glauben, mich endlich stürzen zu sehen. Es ist merkwürdig, wenn man so viele Menschen hören, aber nicht sehen kann. Ich spüre die Energie, die von ihnen ausgeht, ihre Berauschtheit.
Ich gebe zu, dass ich so viel wie in dieser Nacht noch niemals habe einstecken müssen, aber noch bereitet es unglaubliches Vergnügen.
Monsoon lässt mich los, ich torkle zum Ring und halte mich an der Bodenplatte fest. Es sollte genügen, für heute Abend hatte ich meine belebende Dosis. Mehr erfolgreiche Angriffe werde ich ihm nicht erlauben.
Er spurtet zum nächsten Tisch, wo die Stacheldrahtlatten liegen; seine bloßen Füße stampfen durch Scherben, er verzieht keine Miene. Ich bin mir sicher: Er hat einen solchen Chemie-Cocktail in seinem Blut, dass man es ohne weiteres als Droge an Vampire verkaufen könnte.
Alle Muskeln in meinem Körper schmerzen, die rechte Rippenreihe fühlt sich angebrochen an und drückt auf die Lunge. Herrlich! Das Zeitgefühl habe ich schon lange verloren, vermutlich sind wir über die zehn Minuten noch nicht hinaus.
Monsoon kehrt zurück, führt die Latte mit beiden Händen wie ein Schwert.
Ich sehe ihn gigantengleich und hässlich vor mir. Scylla hat es nicht geschafft, Theas Monster zu verjagen. Meinem Gegner wird dieses Glück nicht widerfahren.
Erst im letzten Moment weiche ich aus, und meine Handkante trifft genau auf den Nasenknorpel, meine rechte Faust kracht auf
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