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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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Euch bei der Falschen. Ich habe ihn ebenso wenig gewählt wie Ihr, Karol«, erinnerte sie ihn und ging zur Treppe. »Danke, dass ich sie sehen durfte. Doch ich gebe Euch den Rat, härter zu ihr zu sein.«
    »Härter?«
    Sie nickte. »Ich kenne Eure Schwäche sehr genau, Karol. Ihr seid ein stolzer Vater, den ein paar große, bittende Augen in die Knie zu zwingen vermögen. Treibt sie noch strenger an und bestraft jede Verfehlung unnachgiebig. Und noch etwas ist wichtig: Sie mag so schlau sein, wie ihr sagt, und nicht durch Furcht und Ekel in ihren Taten beschränkt. Doch um wahre Größe zu erreichen, lieber Freund, muss sie hart werden.«
    »Darf ich auf Eure Unterstützung bei der Abstimmung zählen?«, fragte er leise und bittend, ohne auf ihren Ratschlag einzugehen.
    Lydia hob die rechte Braue. »Die werdet Ihr erhalten, Karol, wenn Ihr mir bewiesen habt, dass Ihr mehr als nur ein Herz aus Wachs habt. Denkt daran, dass es nur zum Wohle Eurer Elevin ist.« Sie lächelte und ging die Stufen hinab.
     
    Scylla hörte, wie sich die Schritte des Vaters von ihrem Bett entfernten; er kehrte ebenfalls nach unten zurück, um eine weitere Nacht in den Laboratorien zu verbringen. Sie öffnete die Augen.
    Ihre Bewunderung für die Baronin war nach den deutlichen Worten abgekühlt, und sie spürte ein Gefühl in sich, das eine Mischung aus Wut und Empörung war. Wie konnte Metunova es wagen, sich einfach in ihre und Karols Angelegenheiten einzumischen? Und von was für einer Abstimmung war die Rede gewesen?
    In Windeseile kletterte Scylla auf die Plattform, brachte das Fernrohr in Position und beobachtete, wie die letzten Kutschen den Weg entlangdonnerten und, sobald sie den Wald verlassen hatten, in alle Himmelsrichtungen davonfuhren.
    Das Gespann der Baronin war nicht schwer auszumachen, da sie sich als Letzte verabschiedet hatte. Scylla stellte das Fernrohr scharf.
    In diesem Moment schob eine behandschuhte Hand den Vorhang des Kutschfensters zur Seite. Metunovas Gesicht schien das Mondlicht zu reflektieren. Sie blickte geradewegs in die Linse – und wusste, dass sie beobachtet wurde! Ihr Lächeln war kalt wie Eis, als sie etwas flüsterte.
    Zurück ins Bett mit dir
.
    Erschrocken eilte Scylla auf ihr Zimmer.
     
    12. Dezember 2007
Deutschland, Sachsen, Leipzig, 19.18 Uhr
     
    Das Wiedersehen mit Marek hat alte Wunden aufgerissen. Uralte. Meinem Bruder traue ich sehr viel zu; sogar, dass er es sich anders überlegt und mir doch ein Leid antun wird.
    Ich habe deswegen die Nächte wie besessen an dem Buch gearbeitet und noch mehr Erlebnisse des kleinen Mädchens zu Papier gebracht. Mareks Gesicht hat die Bilder noch lebendiger werden lassen. Es tut sehr gut, sich abzulenken und sich alles von der Seele zu schreiben.
    Ich denke jedenfalls, dass es die Seele ist.
    Manchmal schmücke ich die Begebenheiten etwas aus und übertreibe das, was ich noch weiß, doch es ist in ähnlicher Weise so passiert. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass die damalige Realität sogar noch grausamer, blutiger und schrecklicher war.
    Meine Finger schlagen das Heft zu, in das ich alles schreibe. Natürlich in Sütterlin, Gewohnheiten lassen sich schlecht ablegen.
    Meine Augen wandern zur Uhr, ein antikes Stück, das ich vor ein paar hundert Jahren aus Versailles gestohlen habe. Der Palast lag gerade auf dem Weg, den ich genommen hatte, und später war ich sehr froh, dass ich die Uhr mein Eigen nennen durfte. In meinem Besitz macht sie sich besser als in dem von ein paar Revolutionären.
    Die Zeiger sagen mir, dass ich aufbrechen muss. Mein Sorgenkind erwartet mich, oder besser gesagt: Ich muss es im Auge behalten.
    Die Neigungen von Hendrik Lobitsch sind nicht gesellschaftsfähig. Bei Prostituierten muss man für die Erfüllung dieser Wünsche sehr viel Geld bezahlen; keine normale Frau würde bei seinen Spielchen mitmachen. Das hat ihn verbittert undnoch gestörter gemacht. Teufelskreis, nennt man das landläufig.
    Und trotzdem ahnt niemand etwas von seinen bizarren Vorlieben. Das Unternehmen, bei dem er seit beinahe dreißig Jahren arbeitet, hat ihn schon mehrfach als Mitarbeiter des Jahres ausgezeichnet. Keine von den Putzfrauen, die gelegentlich mit ihm scherzen, oder von den gepflegten Sekretärinnen, denen er bei Büroumzügen stets zuverlässig und freundlich hilft, ahnt, dass er davon träumt, sie auf die widerlichsten Arten sexuell zu erniedrigen und dies nur zu gerne anonym in Internetforen kundtut.
    Keiner von den Kumpels, mit denen er

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