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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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deiner Nachtigallstimme in deinen Bann schlagen und ihnen die Hälse aufschlitzen, bevor sie wieder zur Besinnung kommen?«
    »Das ist nicht gerecht! So schlimm ist diese Gegend nicht, wie du es mich glauben machen möchtest.«
    Karol suchte den Blick der Tochter. »Die Cognatio hat Vorrang. Und besonders vor dem Ziegenjungen.«
    »Das ist nicht gerecht!« Rebellion loderte in ihr auf.
    »Reiß dich zusammen, Tochter!« Er verlor langsam die Geduld. »Du bist gescheiter als er – was willst du von ihm? Dich ihm hingeben?«
    Sie errötete.
    »Dachte ich es mir«, sagte er abfällig. »Dabei glaubte ich, meine Worte hätten bei dir gefruchtet, aber ich sehe, dass es dich zu ihm treibt. Aus niederen Gründen.«
    »Es sind keine niederen Gründe, Vater. Wir … wir lieben uns«, hielt sie dagegen und bemerkte selbst, wie hilflos sie klang.
    »Liebe? Deine Mutter und ich haben uns geliebt. Bei dir ist es eine Schwärmerei, wie sie junge Dinger in deinem Alter durchleben. Unterdrücke sie, forsche noch mehr und schlag dir den Jungen aus dem Kopf. Glaubst du denn, er denkt noch an dich? Warum sollte er dann keinen Versuch mehr unternommen haben, dir nahezukommen?«
    Scylla schluckte. Sie wagte nicht, ihm zu sagen, dass Giure sie vor Monaten bei ihrem Treiben beobachtet hatte und vermutlich deswegen nicht mehr erschien. »Du wirst mich nicht ewig halten können.«
    »Das beabsichtige ich auch nicht, Tochter. Die Cognatio findet im November statt, danach ist alles anders.« Er trank von seinem Kaffee. »Heute bekommen wir Besuch. Der Meister der Dolche wird erscheinen und deine Kampfkunst prüfen. Aber ich warne dich: Er ist um Längen besser als ich. Und er benutzt nur geschliffene Klingen.«
    Sie hatte nicht mehr daran geglaubt, dass sie diesen Meister zu Gesicht bekommen würde. »Ist das Teil der Prüfung?«, fragte sie und nahm sich eine Scheibe von dem Kuchen, den sie gebacken hatte. Als er nickte, sagte sie: »Dann habe ich einen Vorschlag für dich, Vater: Wenn ich ihn schlage, erhalte ich freien Ausgang, wann immer es mich danach verlangt.«
    Er sah sie an, dann lachte er schallend. »Du schlägst ihn niemals … sagen wir: Nicht jetzt.«
    »Dann kannst du darauf eingehen, oder?« Das Gelächter hatte sie verletzt.
    »Und was, wenn du unterliegst, Tochter?«
    »Werde ich dich nie wieder darum bitten, die Mühle verlassen zu dürfen, bis du mir selbst die Erlaubnis dazu gibst.«
    Karol hob die Rechte und hielt sie ihr ausgestreckt hin. »Einverstanden.«
    Die Spannung im Raum wich, und sie setzten ihr Abendessen fort. Nach dem Mahl gingen sie in Karols Arbeitszimmer, wo sie die alchemistischen Berechnungen, die Scylla angestellt hatte, besprachen und verglichen. Die Leistungen hatten sich wesentlich verbessert, allerdings lag ihre besondere Begabung eindeutig im Bereich der Präparierung und der Beobachtung. Danach widmeten sich beide wieder ihren Studien.
    Plötzlich horchte Karol auf und ging zur Treppe. »Ich habe ein Pferd gehört. Du auch?«
    Sie schüttelte den Kopf, weil sie sich Gedanken über sich als Elevin gemacht hatte. Nachfolgerin zu sein bedeutete, eine Lücke zu schließen – und das machte ihr deutlich, dass Karol eines Tages nicht mehr bei ihr sein würde.
    Scylla fand den Gedanken, allein zu sein, erschreckend. Ein Leben, ein Forschen ohne den Vater war trotz der Reibereien zwischen ihnen undenkbar. Sie sah seinen Perückenkopf die Treppe hinunter verschwinden, gleich darauf läutete das Glöckchen. Es war wirklich ein Besucher gekommen.
    »Scylla! Komm zu uns!«, rief sie die Stimme des Vaters.
    Sie schob die ängstigenden Gedanken beiseite und eilte hinab. Schon stand sie vor einem unscheinbaren Mann, der die alte bunte Montur eines Landsknechts trug. Hemdsärmel und Hosenbeine waren geschlitzt sowie innen mit schwarzem Stoff ausgekleidet worden; um die Hüfte saß ein breiter Gürtel, an dem zwei lange Dolche hingen, seine Füße steckten in hohen schwarzen Stulpenstiefeln, auf denen der Staub einer langen Reise lag. Ein dunkler Mantel schützte ihn seinem Aussehen nach schon seit vielen Jahren vor Wind und Regen, auf seinem hellblonden Schopf saß ein breitkrempiger Hut. »Guten Abend«, grüßte er sie mit starkem Akzent.
    »Das ist Frans Hohentgar«, stellte Karol den Besucher vor. »Er ist der beste Kämpfer, wenn es um Klingen jeglicher Art geht. Der Meister der Dolche.« Er legte die Hand auf Scyllas Schulter. »Meine Tochter, Frans. Gegen sie wirst du antreten müssen.«
    Artig deutete

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