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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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sie eine Verbeugung an. »Willkommen, Herr Hohentgar«, grüßte sie. Er entsprach nicht dem Bild, welches sie sich ausgemalt hatte. Er war weder düster noch geheimnisvoll, sondern wirkte eher nett.
    »Meine Güte«, sagte der Deutsche und schaute sie bewundernd an. »Da ist ja eine Knospe zu einer wunderschönen Blumeerblüht, will ich meinen!«, brach es aus ihm heraus, und er reichte ihr die Hand. Er ging um sie herum und musterte sie. »Scylla, du bist eine richtige Frau geworden.«
    Sie war verwundert, weil er mit ihr sprach, als seien sie alte Freunde.
    »Bestärkt sie nicht in dieser Ansicht«, warnte Karol halb im Scherz, halb ernsthaft. »Ich habe schon so genügend Schwierigkeiten mit ihr.« Er bot dem Besucher, der zwei große Satteltaschen neben die Tür auf den Boden gestellt hatte, einen Stuhl an. »Hunger, verehrter Frans? Scylla macht Euch sicherlich gerne etwas zu essen.«
    »Nur zu. Ein paar Eier mit Speck und eine ordentliche Scheibe Brot tun es für den Anfang.« Er setzte sich, bekam einen Becher mit Wein und einen Krug Wasser kredenzt. »Dann kümmere ich mich erst einmal um mein Pferd … aber anschließend darf es ruhig einen zweiten Gang geben.« Frans setzte sich. »Verzeih mir die überschwängliche Begrüßung, Scylla, doch dein Vater hat mir so oft von dir geschrieben, dass ich mich beinahe als dein Onkel betrachte.«
    »Ich danke Euch.« Sie deutete wieder eine Verbeugung an. »Und nun will ich sehen, dass das Essen auf den Tisch kommt.«
    Karol setzte sich ihm gegenüber. »Was gibt es Neues in der Welt, alter Freund? Wo dreschen sich die Soldaten derzeit die Köpfe ein?«
    »Mal hier, mal dort. Meine Dienste werden immer benötigt. Und wenn es keine Armee ist, dann erledige ich einen delikaten Auftrag für einen Adligen.« Frans grinste vielsagend, und Karol bemerkte, dass ihm einer der Schneidezähne fehlte. Anscheinend war er an einen Gegner geraten, der sich gewehrt hatte. »Scylla, was macht die Messerkunst?«
    Die junge Frau schlug drei Eier in die Pfanne und gab zwei fingerdicke Scheiben Speck hinzu, schob sie über das Herdloch,aus dem fingerlange Flammen züngelten. »Ich habe eifrig geübt. Meinen Vater schlage ich inzwischen jedes Mal.«
    »
Jedes
Mal?« Frans sah sein Gegenüber an. »Karol, was muss ich da hören?« Er hob die Hand und zeigte auf sie. »Ihr lasst Euch von Eurer eigenen Tochter besiegen?«
     
    »Sie kämpft anders, als ich es gewohnt bin, Frans«, gab er zurück und berichtete von der Abmachung, die sie getroffen hatten: ein Sieg im Messerkampf als Lohn für die Freiheit. »Was haltet Ihr davon?«
    Der Deutsche sah zu Scylla, in deren Augen furchtsame Erwartung stand. »Nichts.«
    Sie sog die Luft ein. »Verzeiht, wieso …?«
    »Ich gebe deinem Vater recht, wenn er Angst um dich hat.« Er sah zu Karol. »Und Euch sei gesagt, dass es eine reichlich einfältige Eingebung war, diese Abmachung zu treffen. Seht Ihr ihre schöne, glatte Haut? Wie sieht sie wohl mit der Narbe aus, die ich ihr verpassen muss?«
    Karols Kiefer mahlten, er sagte nichts.
    Scylla atmete auf. Die Abmachung hatte noch immer Bestand. Sie rührte die Eier, damit sie nicht anbrannten, und gab sie nach kurzer Garzeit auf einen Teller, den sie ihm zusammen mit Brot und Gabel an den Tisch brachte. »Es mag vermessen sein, Euch darum zu bitten, Herr Frans, aber könnten wir den Kampf heute noch ausfechten?« Sie stellte das Essen ab und setzte sich ihm gegenüber.
    »Heute noch?« Frans langte zu und stillte seinen Hunger mit schnellen Bewegungen. Eier, Speck und das Brot verschwanden rasch im Mund des Mannes. Er rülpste laut und lehnte sich vor. »Weswegen so rasch? Bist du dir so sicher, dass du mich schlägst?«
    »Ja«, erwiderte sie mit fester Stimme.
    Frans nahm einen Rest Ei zwischen Daumen und Zeigefingerund schob ihn zwischen die Lippen. Wieder ließ er sich mit seiner Antwort Zeit. »Ich bin es nicht. Aber dennoch erfülle ich dir deinen Wunsch. Es wird dir eine Lehre sein. Die Regel lautet: Wer zuerst aufgibt, hat verloren.« Er klopfte sich auf den Bauch. »Aber erst versorge ich mein Pferd und lege mich ein wenig hin. Meine Müdigkeit brächte dir Vorteile, und das möchte ich nicht.«
    »Ich auch nicht«, merkte Karol an und führte den Freund in die Scheune.

VIII.
Kapitel
    15. September 1676
Osmanisches Tributland
     
    D as Geräusch einer Klinge, die weniger als haarbreit am eigenen Gesicht vorbeizischte, vergaß man niemals wieder.
    Scylla keuchte auf und sah den Dolch als

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