Kinder des Judas
dieses Mal auf ihren Hals gezielt hatte. Dafür trat sie Frans mit voller Wucht in den Schritt.
Zwar schaffte er es noch, den linken Oberschenkel als Deckung nach innen zu drehen, doch anschließend verspürte auch er gewaltige Qualen.
Keuchend belauerten sie sich und gingen erneut auf Abstand.
»Hast du genug?«, erkundigte sich Frans und betrachtete die hässliche Wunde an ihrem Arm, aus der das Blut strömte.
Scylla schüttelte stumm den Kopf. In ihr veränderte sichetwas. Dunkle Gedanken hielten Einzug, Bilder des aufgeschlitzten Frans flackerten auf, und der Wunsch, ihn tot zu sehen, breitete sich in ihr aus wie ein Feuer. Sie ließ es zu, hörte das Herz in ihren Ohren pochen, das schnelle Rauschen überlagerte die Geräusche um sie herum und jeglichen Gedanken. Sie fixierte wieder den Punkt hinter Frans und war beherrscht von der Vorstellung, dem Meister der Dolche ebenso den Kopf von den Schultern zu schlagen, wie sie es mit der Upirina getan hatte. Sie wollte gewinnen, egal wie. »Weiter«, zischte sie und attackierte ihn mit ihrem Messer.
Ihre Angriffe steigerten sich und kamen ohne Unterlass aus verschiedenen Richtungen. Scylla nutzte geschickte Körpertäuschungen, um Frans zu verwirren, der sichtlich mehr Mühe mit der verwundeten, einarmigen Gegnerin hatte als mit der gesunden Scylla.
Immer wieder klirrte es, wenn die Schneiden sich in der Luft berührten, und für die Augen eines ungeübten Menschen waren die Stiche und Stöße kaum mehr zu erkennen.
Scylla keuchte, Schweiß rann ihr aus allen Poren, doch sie setzte ihre Attacken unnachgiebig fort und lauerte darauf, dass Frans einen Fehler bei der Deckung beging. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert, er sah angespannt aus.
»Scylla, hör auf!«, rief Karol von oben. Er hatte bemerkt, dass sein Freund in tödliche Bedrängnis geriet. Scylla kämpfte wie von Sinnen, in den Augen glitzerte die blanke Mordlust. Sie hörte nicht auf ihn.
Endlich wurden ihre Stiche langsamer, und Frans sah seine Gelegenheit gekommen. Er wich dem nächsten Angriff aus und wollte mit dem Dolchknauf gegen ihre Stirn schlagen – da zuckte ihr Fuß nach oben und traf ihn in den Magen.
Man sah ihm an, dass er es niemals für möglich gehalten hätte, bei einer schmalen Frau eine derartige Kraft vorzufinden. Er wirkte so, als müsste er sich übergeben.
Scylla lachte auf, trat nochmals zu und duckte sich, um unter seiner Deckung hindurch unterhalb des Knies in die Wade zu stechen, damit Frans fiel. Stöhnend sank er nieder. »Ich habe genug«, ächzte er. In seinen Augen flackerte Angst. »Du hast …«
Sie schnellte empor, landete auf seinem Bauch und richtete die Messerspitze geradewegs auf das Herz.
»Scylla, nein!«, schrie Karol und sprang vom Heuboden.
Er erreichte sie zu spät. »Ich habe gewonnen!«, grollte sie – und stach zu!
Klirrend prallte die Klinge gegen Metall.
»Was ist …?«
Scylla hieb die Waffe ein weiteres Mal gegen Frans’ Oberkörper, doch erneut scheiterte sie an einem harten Widerstand.
Karol gelangte endlich zu ihr und hielt ihren Arm fest. Sie hatte dieses Mal auf den ungeschützten Hals gezielt. »Es genügt«, herrschte er sie an. »Du kannst aufhören.«
Sie stand auf, trat zurück und schaute auf das blutige Messer, danach auf ihre Wunde. Ein Nebel hob sich von ihrem Verstand, die Gier nach Tod verschwand und ließ Glück und Schmerzen zurück. Die Beine gaben nach, sie knickte neben Frans ein.
»Irrsinn!« Karol kniete bereits zwischen ihnen und kümmerte sich abwechselnd um die Wunden, welche sie sich in ihrem Eifer gegenseitig zugefügt hatten. Nacheinander schaffte er sie in die Küche und nahm aus der Tasche chirurgische Instrumente sowie Nadel und Faden, um die Wunden zu versorgen. »Es war Irrsinn, dass ich mich auf diese Abmachung eingelassen habe«, schimpfte er mit sich selbst, während er den Schnitt in Frans’ Unterschenkel mit kundigen Stichen nähte. »Wie leicht hättet Ihr ums Leben kommen können, Frans.« Er öffnete das Hemd, unter dem ein Eisenharnisch verborgen lag. »Ohne den wäre es so gekommen.«
Scylla konzentrierte sich auf alchemistische Formeln, damit der pochende Schmerz in ihrem Oberarm durch die gebündelten Gedanken verdrängt wurde und nicht überhandnahm. Als ihr Vater sie vernähte, traten ihr Tränen in die Augen, doch ein Laut kam ihr nicht über die Lippen. Schließlich lächelte sie sogar.
»Ich habe gewonnen«, flüsterte sie, dann schaute sie zu Frans und erschrak, als sie
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