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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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für die Wissenschaft. Wenn es Dämonen gab, die solche Albträume gegen die Menschen schickten, musste es auch einen Gott geben, der ihnen Einhalt gebot.
    Scylla wog den Griff des Spatens in der Hand und näherte sich der Untoten. Ihre Waffe war eigentlich der Dolch, mit dem sie in den letzten Jahren Hunderte Stunden geübt hatte, und der Spaten kam ihr fremd vor.
    Die Upirina griff sie unvermittelt an, fauchte dabei wie eine Katze und schnappte nach ihr.
    In Scyllas Augen war es die törichtste Variante, welche die Bäuerin hatte wählen können. Es war ein Leichtes, den Spaten wie eine Axt zu schwingen und das schwere Blatt seitlich auf Höhe des Oberkiefers in den Schädel zu treiben.
    Der Schwung genügte, um die Upirina umzuwerfen, dabei riss sie den Spaten mit sich.
    Bevor sie sich jedoch aufraffen konnte, sprang Scylla herbei und trat mit dem rechten Fuß auf die Blattoberseite, als wollte sie besonders festen Boden umgraben. Das geschliffene Eisen brach krachend durch den Kopf und durchtrennte auch das Rückgrat; zuckend stürzte die Untote auf die Wiese zurück.
    Karol deutete eine Verbeugung an. »Gut gemacht, Tochter. Du hast mich sowohl beim Sezieren als auch hierbei von deinen Fertigkeiten und deiner Unerschütterlichkeit überzeugt. Wir können der Cognatio und den Prüfungen jetzt fast schon beruhigt entgegensehen. Aber es ist noch einiges zu tun.«
    Sie riss den Spaten aus der Erde und hielt den Stiel mit beiden Händen. »Danke, Vater.« Sie schaute, schwer atmend, auf die Überreste.
    »Ohne Kopf tut sie nichts mehr, doch um ganz sicherzugehen, halten wir es mit ihr wie mit dem Umbra: Verbrennen wir sie.« Karol stieg die Treppe hinauf, um Kohlen aus der Küche zu holen. »Es darf nichts übrigbleiben.«
    Kaum war er im Inneren verschwunden, stiegen Raben am nahen Waldrand auf und krächzten. Dass sie das nachts taten, bedeutete, dass es einen Störenfried in ihrer Nähe gab.
    Scylla, von oben bis unten im Blut der Untoten gebadet, machte zwei Schritte nach vorne und blickte in Richtung Unterholz; sie wurde sich in diesem Moment erst bewusst, dass sie den Spaten noch immer wie eine Waffe hielt.
    Der Mond beleuchtete eine bekannte Gestalt, die eben vom unteren Ast eines Baumes sprang und davonrannte.
    Es war Giure.
     
    15. September 1676
Osmanisches Tributland
     
    Wieder war mehr als ein halbes Jahr vergangen, und obwohl sich Giure seit jener Nacht nicht mehr bei ihr gemeldet hatte, glaubte Scylla daran, dass ihre Freundschaft noch nicht zerbrochen war; gleichzeitig achtete Karol noch mehr darauf, ihr keinerlei Gelegenheit für einen weiteren Ausflug zu geben. Sogar die Plattform durfte sie nicht mehr betreten.
    Sie war endgültig eine Gefangene, und das machte ihr von Tag zu Tag mehr zu schaffen.
    »Wann darf ich die Mühle tagsüber verlassen, Vater?« Scylla, die immer mehr die Gestalt einer jungen Frau angenommen hatte, sah ihn aus ihren dunkelgrauen Augen an. Der Blick schwankte zwischen Bitten und Wut.
    Karol war nicht entgangen, dass sie das Messer, mit dem sie Brot geschnitten hatte, zum Stoß bereithielt. Er nahm an, dass es der unterbewusste Ausdruck dafür war, dass er sich mit seiner strikten Anweisung mehr als nur ihren Unmut eingehandelt hatte.
    »Die Abmachung lautete, dass du die Prüfung der Cognatio bestehen musst, Tochter.« Er nahm seine Tasse mit dem Kaffee und betrachtete Scylla. Sie war im Grunde erwachsen; ihre Brüste hoben sich, verlockend für alle Männer, unter ihrem Hemd, und aus dem rundlichen Kindergesicht war nun endgültig ein schönes, schlankes Antlitz geworden, das von langen schwarzen Haaren umrahmt wurde. Seine Tochter durfte sich ohne Frage anziehend nennen. Anziehend und aufständisch.
    »Ich bin bald fünfzehn Jahre alt, Vater. Andere Frauen sind in diesem Alter längst schon verheiratet.«
    Karol schüttelte den Kopf.
    Ihre Stimme wurde leiser, weicher. »Wenn ich dir verspreche,dass ich mich mit keinem Mann einlasse, darf ich dann hinaus? Ohne dich? Wie soll ich denn forschen …«
    »Scylla, ich habe Vertrauen zu dir«, fiel er ihr ins Wort. »Aber ich traue den Männern nicht, weder den einheimischen noch den türkischen. Du bist schön und begehrenswert, und genau deshalb habe ich Angst, dass dir dein Äußeres zum Verhängnis werden könnte.«
    Sie lächelte milde. »Ich kann mich verteidigen. Im Messerkampf gewinnst du nicht mehr gegen mich.«
    »So? Was würdest du gegen eine Abteilung Soldaten unternehmen? Oder gegen eine Horde Bauern? Sie mit

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