Kinder des Mars
setzen.«
»Wo sitzt er ein?«
»So weit ich weiß zur Zeit noch in einer Zelle der Polizeistation Manhattan. Genaueres kann ich dir nicht sagen, meine Quellen sind beschränkt.«
»Danke. Entschuldige, aber ich muss an die Arbeit.«
»Sorry, dass ich keine besseren Nachrichten habe.«
»Unsinn. Es ist gut, dass du Bescheid gesagt hast. Bis später.« Vivian legte auf. Sie tätigte einige Anrufe und gab die Anweisung, Barry auszuquetschen, bis er dümmer war als Bohnenstroh. Dann streckte sie sich auf dem dicken Teppich in ihrem Büro aus, um sich einen Augenblick auszuruhen. Sie war eingeschlafen, kaum dass sie die Augen geschlossen hatte.
Keine zwei Stunden später weckte Vivian das erneute Klingeln des Telefons. Sie fühlte sich noch mehr gerädert als vor dem Mittagsschlaf und erwog, nicht abzuheben. Doch sie ging zum Schreibtisch und sah auf das Display ihres Mobiltelefons. Max Beaver . Natürlich hob sie ab. Schließlich hatte sie ihn vor zwei Stunden kontaktiert. »Ja?« Sie war zu müde für viele Worte.
Max machte es ebenso kurz. »Wir haben Barry.«
»Sehr gut. Ich bin in der Zentrale. Bringt ihn her.«
»Ok. Und Viv...« Außer Max nannte keiner sie Viv. Sie hatte sich jedoch längst daran gewöhnt, denn was für sie seltsam war, war für Max das Normalste auf der Welt. Er kürzte alle Namen ab, womöglich weil sein eigener Rufname eine Abkürzung war, die von Maximilian. »Schalte die Kameras aus. Wir dürfen nicht gesehen werden. Und wir brauchen eine Coverstory.«
Vivian lächelte müde. »Bis gleich.« Sie legte auf, suchte in ihrem Schreibtisch nach den Schlüsseln für die Kellerräume und steckte ihr Handy ein. Dann sprintete sie dreißig Stockwerke die Treppe hinunter, die kein Mensch je benutzte. Im Treppenhaus gab es keine Videoüberwachung. In der Tiefgarage nutzte sie die toten Winkel der Kameras, so dass sie von keiner erfasst wurde, ehe sie sie lahmlegte. Parallel telefonierte sie über ein Headset und organisierte einen gestellten Überfall auf Max und Ashley. Zu dem Zeitpunkt würden sie Gene Barry, dem die Gefangenenbefreiung galt, schon nicht mehr in ihrem Gewahrsam haben.
Vivian öffnete das elektronische Tor. Sekunden später bog ein Polizeiwagen um die Straßenecke, der leise und unbeobachtet in der Garage verschwand.
Max und sein Partner Ashley Cohen stiegen aus. Die beiden sportlichen jungen Männer trugen ihre Uniformen zu Recht. Vor fünf Jahren hatten sie die Polizeischule abgeschlossen. Mit Auszeichnung. Ashleys Großeltern, die einst aus Polen nach Amerika gekommen waren, waren besonders stolz auf ihren Enkel im Staatsdienst. Woher die sterblichen Verwandten von Max kamen, konnte keiner mehr sagen. Sein Nachname Beaver gab lediglich einen Hinweis darauf, womit sie ihr Geld verdient hatten: Pelze.
Den Einwanderersohn und den Jungen aus dem mittleren Westen verband mehr als unsterbliches Blut und der Kampf für die Gerechtigkeit: Obwohl amerikanische Patrioten, waren sie sich einig, dass Amerika nicht mehr das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern der begrenzten Unmöglichkeiten war. Der Fall Fuller bestätigte sie darin. Aus dem Traum wurde mehr und mehr ein Albtraum.
»Das ging schneller als erwartet«, sagte Vivian.
»War überhaupt kein Problem. Zu irgendetwas muss die Uniform ja gut sein. Verbrecher schreckt sie nicht ab, doch immerhin haben die Kollegen Respekt davor«, grinste Ashley.
Vivian war nicht zum Scherzen zumute. »Wir müssen uns beeilen, bevor der Wachdienst kommt, um die ausgefallenen Kameras zu reparieren.«
»Ok.« Sie zerrten Barry von der Rückbank.
»Was...?!« setzte er an.
Bevor er ein großes Geschrei veranstalten konnte, stopfte Ashley ihm einen Knebel in den Mund. Barry riss die Augen weit auf.
»Wir sollten ihm auch einen Sack über den Kopf ziehen, Ash«, überlegte Max.
»Zu spät. Er weiß schon, wie wir aussehen«, entgegnete Ashley.
»Das spielt keine Rolle. Er wird sich an nichts erinnern«, wehrte Vivian ab.
Max und Ashley warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Vivian ging nicht darauf ein und lief los. Mit dem Gefangenen in der Mitte folgten Max und Ashley Vivian in den Keller, der mehrere Stockwerke unter die Erde reichte. Sie hielt vor einer schweren Tür, öffnete sie und machte Licht an. Eine einfache Schlafbank, ein Waschbecken und eine Toilette – der Raum sah aus wie eine Gefängniszelle, bis auf die gepolsterten Wände. Die erinnerten eher an eine Nervenheilanstalt.
»Nehmt ihm die Fesseln ab. Den
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