Kinder Des Nebels
froh sein, mir die ganze Mühe gemacht zu haben.
Es klopfte leise an seiner Tür. Neugierig drehte er sich um, als Sazed den Kopf in den Raum steckte.
»Ich bitte um Entschuldigung, Meister Kelsier«, sagte er. »Aber ein Wächter ist zu mir gekommen und sagte mir, er könne Euch auf Eurem Balkon sehen. Er befürchtete, Ihr könntet etwas Unüberlegtes tun.«
Kelsier seufzte, wich aber von der Brüstung zurück, schloss die Tür und zog die Vorhänge zu. »Ich bin nicht für die Anonymität geboren, Saze. Für einen Dieb kann ich mich nicht sonderlich gut verstecken.«
Sazed lächelte und wollte sich bereits wieder zurückziehen.
»Sazed?«, fragte Kelsier, und der Terriser hielt inne. »Ich kann nicht schlafen. Hast du vielleicht einen neuen Vorschlag für mich?«
Sazed lächelte breit und schritt wieder in das Zimmer hinein. »Selbstverständlich, Meister Kelsier. Erst vor kurzem kam mir der Gedanke, Ihr solltet etwas über die Wahrheiten der Bennet erfahren. Ich glaube, sie passen zu Euch. Die Bennet waren ein hoch entwickeltes Volk, das auf den Inseln im Süden lebte. Sie waren tapfere Seefahrer und ausgezeichnete Kartografen. Einige der Karten, die das Letzte Reich noch immer verwendet, wurden von den Forschern der Bennet gezeichnet. Ihre Religion war dazu bestimmt, an Bord ihrer Schiffe ausgeübt zu werden, denn sie waren immer monatelang auf See. Der Kapitän war gleichzeitig der Priester, und niemand durfte das Kommando über ein Schiff haben, der nicht zuvor eine theologische Ausbildung erhalten hatte.«
»Vermutlich gab es bei ihnen nicht viele Meutereien.«
Sazed lächelte. »Es war eine gute Religion, Meister Kelsier. Sie war auf Entdeckung und Wissen ausgerichtet. Für dieses Volk war das Zeichnen von Karten eine heilige Pflicht. Sie glaubten, dass die Menschheit Frieden und Harmonie finden werde, sobald die gesamte Welt erforscht, begriffen und kartografiert sei. Viele Religionen lehren dieses Ideal, aber nur wenige haben sie so angewendet wie die Bennet.«
Kelsier runzelte die Stirn und lehnte sich gegen die Wand neben den Vorhängen. »Friede und Harmonie«, wiederholte er langsam. »Das ist nicht gerade das, wonach ich im Augenblick auf der Suche bin, Saze.«
»Ah«, meinte Sazed nur.
Kelsier hob den Blick zur Decke. »Könntest du mir ... noch einmal etwas über die Valla erzählen?«
»Natürlich«, sagte Sazed, zog sich einen Stuhl von Kelsiers Schreibtisch heran und setzte sich. »Was genau möchtet Ihr hören?«
Kelsier schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Es tut mir leid, Saze. Ich bin in seltsamer Stimmung heute Abend.«
»Ich glaube, Ihr seid immer in seltsamer Stimmung«, meinte Sazed und lächelte schwach. »Allerdings fragt Ihr nach einer bemerkenswerten Sekte. Die Valla haben länger als jede andere Religion im Letzten Reich ausgehalten.«
»Das ist der Grund für meine Bitte«, sagte Kelsier. »Ich muss verstehen, warum sie so lange fortbestehen konnten. Wieso haben sie weitergekämpft?«
»Sie waren die entschlossensten von allen, glaube ich.«
»Aber sie hatten keine Anführer«, warf Kelsier ein. »Der Oberste Herrscher hatte bei seinem ersten Eroberungszug den gesamten religiösen Rat der Valla hinrichten lassen.«
»Oh, sie hatten Anführer, Meister Kelsier«, sagte Sazed. »Tote zwar, aber es waren trotzdem Anführer.«
»Einige Leute würden sagen, dass ihre Hingabe sinnlos war«, meinte Kelsier. »Man sollte doch glauben, dass der Verlust der Anführer das Volk vernichtet hätte, anstatt es noch entschlossener zum Kampf zu machen.«
Sazed schüttelte den Kopf. »Ich glaube, die Menschen sind unverwüstlich. Unser Glaube ist oft dann am stärksten, wenn er eigentlich am schwächsten sein sollte. Das ist die Natur der Hoffnung.«
Kelsier nickte.
»Wünscht Ihr weitere Informationen über die Valla?«
»Nein, vielen Dank, Saze. Ich habe nur die Erinnerung daran gebraucht, dass es Menschen gab, die auch dann noch gekämpft haben, als es für sie hoffnungslos aussah.«
Sazed erhob sich. »Ich glaube, ich verstehe, Meister Kelsier. Gute Nacht.«
Kelsier nickte geistesabwesend, und der Terriser zog sich zurück.
Die meisten Terriser sind nicht so schlecht wie Raschek. Doch ich sehe, dass sie in gewisser Hinsicht an ihn glauben. Es sind einfache Menschen, keine Philosophen oder Gelehrte, und sie verstehen nicht, dass der größte Held aller Zeiten ihren Prophezeiungen nach ein Außenseiter sein wird. Sie begreifen nur, was Raschek ihnen einredet: dass sie
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