Kinder des Wassermanns
Befehl dazu«, entgegnete Iwan. »Und selbst wenn ich könnte, würde ich es nicht wollen, bis wir ganz sicher sind, daß daraus kein Unheil entstehen wird.«
»Ich weiß«, sagte Tomislav. »Nun, dann ist hier mein Rat: Haltet sie
als Gefangene, aber behandelt sie freundlich. Und laßt ihren An füllte! mit zu mir nach Hause kommen, damit wir uns besser kennenlernen.« »Was?« zeterte Petar. »Seid Ihr wahnsinnig?«
Iwan selbst erschrak. »Ihr seid zumindest tollkühn«, bemerkte er. »Der Kerl ist groß. Wenn er sich erholt hat, könnte er Euch in Stücke reißen.«
»Ich glaube kaum, daß er es versuchen wird«, antwortete Tomislav leise. »Und schlimmstenfalls, was kann er anderes töten als mein Fleisch, woraufhin meine Pfarrkinder ihn niederstechen werden? Ich habe seit langem jede Angst davor verloren, von diesem Leben Abschied zu nehmen.«
Tomislavs Gemeinde war ein Dörfchen mit weniger als hundert Seelen, dessen Familien nahe verwandt miteinander waren. Es lag eine volle Tagesreise von Skradin entfernt, an einem Weg, der sich erst nördlich, dann westlich durch die Wälder um den See wand, obwohl dieses Wasser nie in Sicht kam. Hier hatten Menschen einmal um einen Windbruch Land gerodet und sich niedergelassen, um von Ackerbau, Holzfällen, Kohlenbrennen, Jagen und Fallenstellen zu leben. Sie bearbeiteten den Boden gemeinsam, wie sie es getan hätten, wären sie freie Bauern gewesen. Die meisten von ihnen waren eigentlich Leibeigene, aber das machte kaum einen Unterschied, denn die Edelleute von Hrvatska waren selten Unterdrücker oder Ausbeuter, und niemand hatte den Wunsch davonzuziehen.
Die Siedlung wurde von einer Doppelreihe inmitten der Felder gebildet. Bäume, die man stehengelassen hatte, spendeten Schatten. Die Häuser, aus Holz gebaut, einen oder zwei Räume enthaltend, mit Stroh gedeckt, standen auf Pfählen. Laufbretter führten von den Ställen zu den Wohnräumen. Der Weg zwischen den Gebäuden war matschig, wenn er nicht staubig war, und dick voller Kot. Doch niemand wurde von üblen Gerüchen belästigt; die duftenden grünen Fernen sogen sie auf. Die Bewohner machten sich auch nicht viel aus den Fliegen im Sommer. Hinter jedem Haus war ein Küchengarten angelegt.
Kleine Scheunen mit Lattenwänden standen umher, auf dünnen Stämmchen errichtet, deren Wurzeln vogelähnliche Füße abgaben, wie auf Baba Yagas berühmtem Wohnsitz. Ein paar Schuppen enthielten Werkzeuge und andere notwendige Geräte. Zweirädrige Karren wurden, wenn nicht gebraucht, auf die Seite gefahren; sie waren bunt gestrichen. An einem Ende des Weges war eine kleine Werkstatt, am anderen Ende die Kapelle, kaum größer, ebenfalls mit einfallsreichen Mustern bemalt. Die Schindeln ihres Dachs bauchten sich zu einer Zwiebelkuppel aus, auf der sich das Kreuz erhob. Eine Mühle hatte das Dorf nicht, aber Fundamente und die zerbröckelten Überreste eines Erdwalls zeigten, daß es früher einmal eine gegeben hatte.
Nirgendwo erstreckten sich Felder und Wiesen weiter, als das Auge reichte. Der Wald umgab sie alle. An einigen Stellen war er weit weg, an anderen kam er nahe heran, aber überall brütete er, die Kronen im Sonnenlicht, doch darunter voller Schatten. Die meisten Bäume waren Eichen oder Buchen, dazwischen verschiedene andere Arten. Das Unterholz wuchs dicht.
Auf mancherlei Art erinnerte die Siedlung Vanimen an Alsen. Im Laufe der Zeit merkte er, wie oberflächlich diese Ähnlichkeit war.
Die Reise nach hier, auf einem geliehenen Esel, war eine Tortur gewesen. Doch sobald er einmal in Tomislavs Haus war, ein Bett zum Ausruhen und reichliches, gutes Essen hatte, wurde der Wassermann schneller gesund, als es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre. Ein zweites Geschenk des Feenreichs war die Schnelligkeit, mit der er die hrvatskanische Sprache lernte. Es dauerte nicht lange, und er und der Priester konnten richtige Gespräche führen, die von Tag zu Tag weniger stockend waren. Nachdem die Dorfbewohner die Furcht vor ihm verloren hatten, lernte er auch sie und einiges über ihr Leben kennen.
Er saß zusammen mit Tomislav auf einer Bank vor dem Haus, unter den langen Dachbalken. Es war Sonntag, der Tag, an dem die Menschen von ihrer Arbeit ausruhten. Der Priester hatte bei der Ernte ebenso schwer gearbeitet wie alle anderen; Vanimen, jetzt wieder gesund, hatte seine Kraft zur Verfügung gestellt, die groß, wenn auch ungeschult war.
Der Sommer ging in den Herbst über. Die Blätter zeigten ein
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