Kinder des Wassermanns
blasseres Grün als zuvor, ein paar waren bereits braun, rot und golden. Auch der Himmel war bleich geworden, und darüber zogen Gänse hin, deren Schreie wortlose Sehnsüchte erweckten. Als die Sonne unter die Baumwipfel sank, wurde der bisher kühle Wind kalt. Die meisten Leute saßen müßig zu Hause. Diejenigen, die vorbeikamen, grüßten Tomislav und seinen Gast. Der Anblick war ihnen vertraut geworden. Gekleidet wie die übrigen, abgesehen von seinen bloßen Füßen, hätten man Vanimen beinahe für einen Menschen von mächtiger Statur halten können.
Die beiden tranken Bier aus Holzschalen und waren ein wenig beschwipst. »Ihr seid von der guten Art«, bemerkte der Wassermann. »Ich wollte, ich könnte Euch helfen, besser zu leben.«
»Ein solcher Wunsch bestärkt mich in meinem Glauben, daß Ihr Gottes Gnade gewinnen könntet, wenn Ihr nur wolltet«, fiel Tomislav eifrig ein.
Als Vanimens eigenes Mißtrauen verblaßt war, hatte er offen gesprochen. Der Priester milderte die Geschichte ab, als er sie in einem Bericht niederlegte, den er Iwan durch einen Jungen schickte. »Ich will ihn nicht belügen, aber ich will auch nicht ohne Not die Feindseligkeit gegen Euch verschärfen«, hatte er erklärt.
Tomislav seinerseits hatte versucht, Vanimen auseinanderzusetzen, welche Art Land dies war. Hrvatska teilte die Monarchie mit Ungarn. Von der Natur reich beschenkt, mit zahlreichen Seehäfen für den Handel mit dem Ausland, war es selbst ein bedeutendes Reich. Es wäre noch bedeutender gewesen, hätten die großen Clans nicht ständig im Streit miteinander gelegen, was manchmal zu regelrechten Kriegen führte. Ach, und dann zogen Ausländer, vor allem die verdammenswerten Venetianer, ihren Vorteil aus dem Chaos und besetzten, was nicht ihnen gehörte. Im Augenblick herrschte Frieden. Ein Bündnis zwischen dem Subitsch- und dem Frankapan-Clan hatte eine starke Regierung erzeugt. Am mächtigsten war der Graf von Bribir Pawel Subitsch, der die Stellung eines Ban, eine Provinzherrschers, gewonnen hatte, nur daß
seine
Provinz heute das ganze Land umfaßte. Iwan war mit ihm verwandt.
An diesem Abend wich Vanimen einem Gespräch über den Glauben aus, indem er sagte: »Arbeit und Armut mögen die Seele reinigen, aber für Körper und Geist sind sie hart. Ihr habt ja nicht einmal eine richtige Haushälterin.« Es kamen abwechselnd Frauen für die Arbeit, aber keine hatte dafür viel an Zeit oder Kraft übrig. Oft mußte der Priester selbst kochen – was er recht gut konnte, denn er hatte Vergnügen am Essen – und saubermachen. Den Garten und das Bierbrauen besorgte er immer allein.
»Ich brauche keine, wirklich nicht. Meine Bedürfnisse sind einfach. Ich bekomme meinen Anteil an Vergnügungen. Wartet, bis wir Erntedankfest feiern.« Tomislav hielt inne. »Mein irdisches Los ist tatsächlich in mancher Beziehung leichter geworden, seit meine arme Frau dahingegangen ist. Sie war lange krank und hilflos und brauchte meine Pflege.« Er bekreuzigte sich. »Gott rief sie, zu ihm zu kommen und geheilt zu werden. Ich bin sicher, daß sie im Himmel ist.«
Erstaunt erkundigte sich Vanimen: »Ihr wart verheiratet? Ich weiß, daß die Kirchenmänner es früher waren, zumindest im Norden, aber seit Generationen hatte ich dergleichen nicht mehr gehört.«
»Wir sind zwar Katholiken, aber von der glagolitischen Observanz, die nicht die Roms ist. Obwohl es den Päpsten immer mißfallen hat, haben sie doch unsere Bräuche nicht direkt verboten.«
Vanimen schüttelte den Kopf. »Ich werde nie begreifen, warum ihr Menschen euch wegen solcher Schneckenhaus-Angelegenheiten streitet – wie ihr es tun mögt, wenn ihr doch währenddessen die Welt genießen könntet.« Er merkte, daß sein Gastgeber einen Disput lieber vermeiden wollte, und fuhr fort: »Aber erzählt mir noch, wenn es Euch gefällig ist, von Eurer Vergangenheit. Bisher habe ich nur Bruchstücke davon gehört.«
»Da gibt es nichts zu erzählen«, antwortete Tomislav. »Ein ganz gewöhnliches, voranstolperndes sterbliches Leben. Es kann Euch nicht interessieren, der Ihr jahrhundertelang Wunder erlebt habt, die über mein Vorstellungsvermögen hinausgehen.«
»Oh doch, es würde mich interessieren«, widersprach Vanimen »Ihr seid für mich ebenso fremdartig wie ich für Euch. Wolltet Ihr mir einen flüchtigen Blick in Euer Inneres gewähren, sähe ich vielleicht – nun, nicht nur, wie der Stamm Adams die Erde bewohnt, sondern auch warum ...«
»Ihr werdet vielleicht
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