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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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wegen.“
    Panigpak betrachtete die Geschwister mit Augen, die eine Lebensspanne voll Leid gesehen hatten. „Vielleicht“, sprach er leise, „kann euch jemand ein wenig Hilfe anderer Art geben.“
     
    In einer ruhigen Nacht füllten die Sterne die Jettschale des Himmels so dicht, bis sie beinahe hinter ihnen verborgen war. Nur das silberne Band, das sich darüber hinzog, war noch zu sehen. Bei diesem Licht, vom Schnee zurückgeworfen, konnte Bengta Haakonstochter, die jetzt Atitak war, leicht einen Abhang über dem Tal entlangwandern. Atem wehte weiß, als sie sprach, doch an dem Wolfsfell ihrer Parka-Kapuze setzte er sich nicht als Reif ab. Schritte knirschten; dann brach ihre Stimme die Stille.
    „Mußt du so bald schon aufbrechen? Wir wären glücklich, euch bei uns zu behalten – und das nicht, weil ihr uns solche Mengen an Fischen und Seehunden bringt, sondern um eurer selbst wegen.“
    Tauno, der an ihrer Seite ging, seufzte: „Wir haben Verwandte in weiter Ferne, die in bitterer Not sein mögen und die uns fehlen. Auch mit den uns versprochenen Kajaks – mit ihnen werden wir bestimmt schneller vorankommen als schwimmend – wird die Reise Wochen und Wochen dauern. Denke daran, daß wir unterwegs jagen und schlafen und oft gegen ungünstige Winde ankämpfen müssen. Wir haben uns nach der Sache mit dem Tupilak gut ausgeruht. Um die Wahrheit zu sagen, wir haben uns hier länger aufgehalten, als nötig war. Bald werden die Inuit wieder auf Wanderschaft gehen. Schließen wir uns ihnen an, können wir kaum vor dem Frühling nach Hause zurückkehren.“
    Die Frau streifte seine sternenbeschienene Nacktheit mit einem Blick, nahm seine Hand in ihren Handschuh und wagte die Frage: „Warum bist du dann überhaupt geblieben? Eyjan ist ruhelos, das weiß ich. Du warst es, der geraten hat, noch zu warten.“
    Er blieb stehen, sie auch. Er wandte ihr das Gesicht zu, faßte in die Kapuze, streichelte ihre Wange und antwortete: „Deinetwegen, Beng-ta.“
    Er hatte als Teil von Miniks Haushalt gelebt, und Minik hatte sie ihm gern geliehen. Sie hatten sich nur dann getrennt, wenn sie stillschweigend übereingekommen waren, daß Bengta wieder einmal eine Nacht mit ihrem Mann und Tauno mit der ersten Frau Kuyapikasit verbringen solle, um niemandes Gefühle zu verletzen. (Eyjan verhielt sich nicht wie eine Frau, sondern wie ein Jäger, der nach Lust und Laune von Familie zu Familie wechselte. Sie hatte jeden Mann im Lager genossen.)
    Bengta stand ganz still. Er konnte sie kaum hören: „Ja, es war wundervoll. Wenn du gehen mußt, wirst du dann später zurückkommen?“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, nein.“
    Sie ließ den Kopf hängen. „Dein Wassermannherz …“ Sie sah wieder hoch. „Aber was an mir hat dich gehalten? Daß ich einer Frau deiner Rasse ähnlicher bin als jede Inuk? Europa ist doch voll von weißen Frauen.“
    „Es gibt wenige so schöne, Bengta.“
    „Ich glaube, ich kenne den Grund“, begann sie, „obwohl du ihn vielleicht selbst nicht kennst …“ und brach ab.
    „Was?“
    Sie biß sich auf die Lippe. „Nichts. Ich habe mich versprochen.“ Sie machte sich auf den Weg bergab. „Komm, gehen wir zurück, suchen wir unsere Lagerstatt auf.“
    Der Schnee kreischte unter ihren gleitenden Füßen. „Was hast du gemeint?“ fragte er rauh.
    „Nichts, nichts!“
    Er faßte ihren Ellenbogen. Durch Pelz und Leder fühlte sie diesen Griff und zuckte zusammen. „Sag es mir.“ Seine Lippen zogen sich zurück, daß die Zähne im Sternenlicht schimmerten.
    „Ich dachte“, platzte sie heraus, „ich dachte, daß ich die Frau bin s die Eyjan am nächsten kommt … und es wird eine lange Reise werden, auf der du niemanden hast als sie … Vergib mir, Tauno, Geliebter! Natürlich habe ich mich getäuscht.“
    Sein Gesicht wurde ausdruckslos, seine Stimme flach. „Dabei gibt es nichts zu verzeihen. Wie können deine Phantasien ein Wesen beleidigen, das keine Seele hat?“
    Plötzlich blieb er wieder stehen, zog sie an sich, lächelte und küßte sie mit größter Zärtlichkeit.
    Auf den Fellen ihrer Lagerstatt, im Dunkel der Hütte flüsterte sie: „Möge der Samen in meinem Leib deiner sein. Es könnte sein; ich habe nachgerechnet. Minik ist ein lieber Mann, und ich möchte auch von ihm Kinder. Aber mögen mir seine Götter eine Erinnerung an meinen Tauno schenken.“
     
    Der Tag war ein Flüchtling geworden, der sich kaum blicken ließ, bevor die Dunkelheit ihn wieder verjagte.

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