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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Farbe hinzu. Ein Ritter zu Pferde, ein reicher Kaufmann, eine berühmte Kurtisane in ihrer Sänfte fielen durch ihre Seltenheit ebenso sehr auf wie durch den Glanz, der sie umgab. Schweine, Federvieh, Hunde, Kinder, trieben sich umher. Der Lärm aus Stimmen, Füßen, Rädern, Hämmern glich der Brandung. Die rauhe Luft unter einem niedrigen grauen Himmel roch nach Rauch, Dung, Müll, Friedhöfen.
    Und doch, dachte Niels, stimmte es, was gesagt wurde: Das hier war freie Luft. Sie badete ihn in Hoffnung, machte ihn trunken von Träumen. Hier war der Mutterleib der Zukunft. Er konnte an diesem Ort, der in nichts eine Beziehung zu Eyjan hatte, beinahe die Sehnsucht nach ihr vergessen, die ständig in ihm brannte.
    Er erreichte den Gasthof, wo er Quartier genommen hatte, eilte mit einem flüchtigen Winken für den Wirt und die Trinker durch den Schankraum, sprang die Treppe hinauf und lief einen Gang entlang. Der Blaue Löwe war für diejenigen, die es sich leisten konnten, das Beste, was einem gemeinen Mann zustand: sauber, sicher, mit zwei vermietbaren Gästezimmern außer dem großen Schlafraum. Er klopfte an die Tür eines der Privatzimmer.
    Ingeborg ließ ihn ein. Sie hatte ein Bildnis der Heiligen Jungfrau gekauft und auf ein Brett gestellt. An den Knitterfalten in ihrem Gewand sah er, daß sie gebetet hatte. Ihr Blick suchte den seinen, sie zitterte und öffnete die Lippen, konnte aber nicht sprechen.
    Er schloß die Tür. „Ingeborg“, sagte er, „wir haben gewonnen.“
    „O – o – oh …“ Ihre Hand fuhr zum Mund.
    „Der Bischof ist einverstanden. Er ist ein feiner Kerl. Er legt zwar Wert darauf, langsam vorzugehen, aber das ist ganz richtig, das ist klug. Unser Glück ist gemacht.“ Niels jauchzte. Er tanzte auf der Stelle, denn das Bett ließ auf dem Fußboden nicht mehr viel freien Raum. „Unser Glück, Ingeborg. Keine Arbeit, keine Plackerei, keine Hurerei mehr – die Welt gehört uns!“
    Sie bekreuzigte sich. „Maria, ich danke dir“, flüsterte sie.
    „Aye, ich auch, wir werden viele Kerzen anzünden, aber zuerst wollen wir uns freuen“, sprudelte Niels hervor. „Heute abend werden wir ein Festmahl halten, ich werde in der Küche alles bestellen, was du gern ißt, wir werden Wein und Wachskerzen und Musik haben – oh, Ingeborg, freue dich. Du verdienst Freude.“
    Er umfaßte ihre Mitte. Sie sah ihn unter Tränen an. „Lehre mich, glücklich zu sein“, bat sie.
    Er erstarrte, blickte auf sie hinab. Plötzlich ging es ihm auf, daß sie schön anzusehen war mit ihren vollen Formen, dem sanften Gesicht, den glänzenden braunen Augen und dem welligen Haar. Sie hatten sich schon geküßt, aber flüchtig, einfach um freundlich zu sein. Jetzt standen sie nicht mehr unter der Peitsche der Notwendigkeit – sie beide. In kurzen Augenblicken hatte er sich manchmal gefragt, wie es sein würde, wenn er Zeit hätte, immerzu an Eyjan zu denken. Jetzt wußte er es; doch hier war Ingeborg.
    „Du bist schön“, sagte er hingerissen.
    „Niels, nein.“ Sie versuchte zurückzuweichen. Er zog sie an sich. Sie duftete nach Frau, und das machte ihn benommen. Der Kuß wollte nicht aufhören.
    „Niels“, flüsterte sie bebend an seiner Brust, „verstehst du, was du suchst?“
    „Ja, Ingeborg, Liebling.“ Er legte sie auf das Bett.
    Später, als sie eng umschlungen ausruhten, sagte sie: „Ich bitte dich um eines, Niels.“
    „Alles, was du willst.“ Er streichelte ihren glatten Rücken.
    „Nenne mich niemals ‚Liebste’ oder ‚Geliebte’ oder dergleichen, wie du es eben getan hast.“
    Er hob erstaunt seinen Kopf vom Kissen. „Was? Warum nicht?“
    „Wir haben nur einander. Gold oder nicht, es wird lange dauern, bis wir Freunde gewonnen haben, denen wir trauen können. Glaub du mir. Dann laß keine Lügen zwischen uns sein.“
    „Ich habe dich gern.“
    „Und ich dich. Sehr, sehr gern habe ich dich.“ Ihre Lippen streiften seine Wange. „Aber du bist zu jung für mich, zu gut …“
    „Nein.“
    „Und Eyjan ist es, nach der du dich sehnst.“
    Darauf hatte er keine Antwort.
    Sie seufzte. „Für mich ist es Tauno, natürlich“, gestand sie. „Ich fürchte, keiner von uns wird je eine Chance haben. Nun, vielleicht kann ich dein Herz einem sterblichen Mädchen zuführen.“
    „Und du?“ fragte er durch ihre dichten Locken.
    Er fühlte, daß sie die Schultern zuckte. „Ich bin zäh. Außerdem, was auch geschieht, solange wir ehrlich miteinander sind, haben wir uns.“

 
5
     
    Das

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