Kinder des Wassermanns
Feuer in einem marmornen Kamin erwärmte ein Zimmer, dem braune Vorhänge und ein Perserteppich Weichheit verliehen. Das Glasfenster bot einen – so gut wie gar nicht verzerrten – Ausblick auf einen Innenhof, wo die Blüten längst vergangen waren. Rosen aus einem Solarium-Treibhaus füllten eine Kristallvase, die auf einem Tisch mit Einlegearbeit stand. Bücher waren wohl an die zwanzig vorhanden, sowohl in Griechisch als auch in Latein. Pawel Subitsch, Ban von Hrvatska, war in seinem Herzen mehr ein Mann des Westens als des Ostens.
Hochgewachsen, mit weißem Haar und sauber geschnittenem Bart, in einem seidenen Gewand wirkte er nicht geringer als der König von Liri, obwohl Vanimen, ähnlich gekleidet (ein Geschenk Pawels) ihn an Größe überragte. Beide waren mit solchem Eifer bei der Unterredung, daß sie nicht sitzen bleiben konnten.
„Ja, ich hoffe, Euer Stamm wird in dieser Gegend bleiben“, sagte der Ban gerade. „Vielleicht habe ich es nicht hinreichend klargemacht, wie sehr dies mein Wunsch ist. Mit euren einzigartigen Fähigkeiten werdet ihr als Fischer, Seeleute, Piloten wertvoll sein. Auch braut sich ein neuer Krieg mit Venedig zusammen. Dabei wäre Eure Hilfe unschätzbar.“ Er betrachtete den anderen forschend. „Natürlich würde ich derlei Dienste so gut belohnen, wie es in meinen Kräften steht.“
Vanimens Gesicht war finster. „Warum sollten wir uns an einem Streit beteiligen, der nicht der unsere ist?“ gab er zurück.
„Er wird der eure sein, denn ihr werdet unsere Landsleute werden.“
„Wirklich? Das ist es nicht, wonach wir auf der Suche waren.“
„Ich weiß. Ihr wolltet ein neues Feenleben beginnen, das mit der sterblichen Menschheit nur wenig zu tun hat. Nun, ihr habt etwas gefunden, das besser ist. Am höchsten stehen die Erlösung, die unsterblichen Seelen und die Vaterschaft Gottes. Doch wendet euch nicht von materiellem Gewinn ab, denn er kann ein Trost für den Geist sein. Zum Beispiel habt Ihr mir in diesen Tagen, die Ihr bei mir zu Besuch weilt, davon erzählt, wie schwer und gefährlich das Leben im Meer war, wie oft ihr Angehörige verloren habt. Wollt Ihr Euren Leuten – Euren Kindern – die Befreiung von den Haien vorenthalten?“
Der Wassermann schritt auf und ab im Raum, die Hände auf dem Rücken verschlungen. „Wir möchten gern Eure Freunde sein“, erklärte er. „Gewährt uns eine kleine Insel, wo wir unter uns bleiben können, und Ihr werdet an uns tüchtige Partner bei der Arbeit, dem Handel, der Seefahrt haben … ja, sogar beim Krieg, wenn das unvermeidlich ist. Aber Ihr verlangt mehr. Ihr wollt uns zu etwas völlig anderem umgestalten. Warum verlangt Ihr, daß wir uns taufen lassen?“
„Weil ich muß“, versicherte Pawel ihm. „Es wäre mein Untergang – vor Thron und Altar wie vor dem Volk –, ließe ich eine Kolonie von Halbwelt-Geschöpfen Wurzeln schlagen. Und wer würde dann Euer Beschützer sein? Ich habe sowieso schon mehr Mühe gehabt, als Ihr Euch vorstellt, um die Nachricht über Euch zurückzuhalten. Über die nächste Umgebung von Skradin hinaus sind nur Gerüchte gedrungen. Auf diese Weise habe ich für uns alle Zeit gewonnen, um sich friedlich aneinander zu gewöhnen. Das kann jedoch nicht auf Dauer so sein.
Selbst wenn Ihr Euch uns anschließt, werde ich danach streben, daß alles in aller Stille geschieht. Keine öffentlichen Bekanntmachungen, keine Botschaften an König oder Papst. Die meisten von euch werden bleiben, wo sie jetzt sind, oder, wenn sie seemännische Beschäftigungen vorziehen, an die nahegelegene Küste ziehen. Diejenigen, die weiter reisen wollen – mit Schiffskapitänen oder abenteuerlustigen Kaufleuten –, werden einzeln oder zu wenigen aufbrechen. Sind sie auch auffällig, so werden sie sich doch in Gesellschaft einer Gruppe Menschen von begrenzter Zahl befinden.
Das ist ebenso zu eurem wie zu meinem Nutzen, Vanimen. Würde sich die Nachricht über euch verbreiten, könnte die Aufregung leicht eine Wendung nehmen, die Gefahr in sich birgt. Die Furcht vor dem Unbekannten würde euch in den Köpfen der Unwissenden mit dem Teufel in Zusammenhang bringen. Es könnte damit enden, daß man euch jagt, die Glücklicheren unter euch niedermetzelt, die Unglücklichen auf dem Scheiterhaufen verbrennt.“
„Aye“, grollte der Wassermann, „Ihr habt recht … und trotzdem möchtet Ihr, daß wir wie Eure Art werden?“
Er blieb stehen, richtete sich zu seiner ganzen Höhe auf und erklärte: „Nein. Wir
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