Kinder
Rosemarie Moeller.
»Du hast die Taschen voller Süßigkeiten, und gerade hast du einen Kaugummi
ausgespuckt. Da wäre mir auch schlecht. Könnten dir deine Eltern nicht mal
einen Apfel mitgeben?«
»Äh … ja«, stammelte Tobias, der sich einfach keinen Reim darauf
machen konnte, woher die Lehrerin wusste, was er und Marc in ihren Taschen
hatten.
»Und nun fragst du dich, woher ich weiß, dass ihr die Taschen voller
Süßigkeiten habt, stimmt’s?«
Tobias sah sie mit offenem Mund an und konnte nicht anders, als zu
nicken. Marc sah nun ebenfalls auf und musterte die Lehrerin. Rosemarie
Moellers Lippen kräuselten sich zu einem mitleidigen Lächeln.
»Na ja, ihr schwänzt unter einem Vorwand Geschichte und sucht euch
einen Lehrer dafür aus, der mit seinem normalen Unterricht schon so sehr
gefordert ist, dass er garantiert nicht auch noch ein Auge darauf haben kann,
wie lange ihr beiden vom Klassenzimmer zur Toilette und wieder zurück braucht.
Dann kommt ihr genau aus der Richtung des Kiosks dort um die Ecke und schleicht
euch ins Schulgebäude zurück. Und damit euch nicht einmal Zimmermann auf die
Schliche kommt, spuckt ihr den Kaugummi, den ihr euch gleich am Kiosk in den
Mund gestopft habt, noch schnell in den Abfalleimer. Wenn ihr nicht noch
Reserven einstecken hättet, wäre der wohl dringeblieben, oder?«
Tobias und Marc nickten wieder. Rosemarie Moeller streckte ihre
rechte Hand aus.
»Dann gebt die Sachen mal her. Ihr könnt sie euch nach der Schule im
Sekretariat wieder abholen.«
Langsam legten die Jungs ihre Süßigkeiten in die Hand der Lehrerin,
sahen wehmütig zu, wie ihr schöner Vorrat in einer Manteltasche verschwand, und
machten sich auf eine ordentliche Standpauke gefasst.
Doch was Rosemarie Moeller schließlich zu sagen hatte, war ganz
anderer Natur. Noch Stunden später sollten sie immer wieder verwirrt an das
seltsame Gespräch zurückdenken. Erst daheim fiel ihnen ein, dass sie ganz
vergessen hatten, nach der Schule ihre Süßigkeiten abzuholen.
»Musst du nicht wieder zurück in die Schule?«
»Ach, die können mich mal, vor allem der Moeller«, schnaubte Hendrik
und grinste Sören an. »Und du willst wirklich nicht zum Arzt?«
»Nein, mir fehlt nichts – ich hab wahrscheinlich nur was Falsches
gegessen, was weiß ich.«
»Für mich sah es eher so aus, als hättest du was Falsches gesehen
oder gehört …«
»Hä?«
»Na, so wie dich der Moeller in letzter Zeit immer anmacht … Also
mich würde das fertigmachen, ganz ehrlich.«
»Ach, ich halt das schon aus«, brummte Sören und wischte sich die
Nase mit dem Ärmel. »Und wir sind ja auch schon da.« Er nickte zur Eingangstür
des Mehrfamilienhauses hin, in dem die Familie Karrer wohnte.
»Okay, aber morgen gehen wir zusammen ins Lehrerzimmer.«
Sören sah ihn erschrocken an: »Wozu das denn?«
»Die Sache muss aus der Welt, egal was es ist.«
»Welche Sache?«
»Woher soll ich das wissen? Du erzählst mir ja nichts. Aber so ganz
ohne Grund wird sich der Moeller ja wohl kaum auf dich eingeschossen haben. Und
darüber müssen wir mit dem Hässler reden.«
»Nein, Hendrik, das lassen wir bleiben!«
Sören war stehen geblieben und sah seinen Freund fast flehend an.
»Mensch, Sören: Du kannst dir das nicht einfach gefallen lassen! Und
der Hässler ist in Ordnung, sonst wäre er doch nicht zum Vertrauenslehrer
gewählt worden.«
Sören wand sich.
»Hast du was gegen ihn?«, hakte Hendrik nach.
»Nein, der Hässler ist schon in Ordnung, aber …«
»Was aber?«
»Wenn … wenn wir zum Hässler gehen, redet der mit Moeller.«
»Klar, das ist ja Sinn der Sache.«
»Und Moeller wird alles abstreiten, wird Hässler irgendeine Story
vom Pferd erzählen – und hinterher hat mich Moeller noch mehr auf dem Kieker.
Darauf kann ich gerne verzichten.«
Hendrik dachte nach. Sörens Einwand hatte etwas für sich, aber er
wollte die Sache nicht einfach so auf sich beruhen lassen.
»Dann mach ich dir einen Vorschlag: Wir gehen morgen zu Hässler,
nehmen ihm aber das Versprechen ab, dass er kein Wort zu Moeller sagt. Und du
fragst ihn, was du selbst tun kannst – vielleicht hat er einen guten Tipp für
dich. Der kennt den Moeller ja, und allzu beliebt sind der Typ und seine Frau,
glaube ich, auch unter den Lehrern nicht. Und auf jeden Fall hast du dein
Problem mal jemandem von den Lehrern erzählt – wer weiß, wozu das irgendwann
noch mal gut ist.«
»Aber ich …«
»Na, komm: Sei kein Feigling. Das ziehen wir morgen
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