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Kinderfrei

Kinderfrei

Titel: Kinderfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Huber
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eine Adoption, denn die Jugendämter gehen in den allermeisten Fällen auch hier davon aus, dass die Lebensform der Ehe dem Kindeswohl am besten dient. Außerdem müssen adoptionswillige Paare polizeiliche Führungszeugnisse, ausführliche Lebensläufe und ärztliche Atteste vorlegen. Nun kann man über einzelne Bewertungskriterien sicher trefflich streiten oder einwenden, liebevolle Elternschaft ließe sich nicht an der Größe der Wohnung oder der Höhe des Einkommens festmachen. Das ist sicher richtig, doch bieten solche objektiven Kriterien zumindest einen ersten und nicht unwichtigen Anhaltspunkt für Umstände, die das Kindeswohl befördern. In jedem Fall hat das strenge Prüfverfahren den Vorteil, diejenigen auszusortieren, die nicht einmal bereit sind, diese kleine Hürde zu nehmen, und die so arrogant sind, jede Prüfung ihrer Person als unverschämte Zumutung zu empfinden, wo man ihnen doch dankbar sein müsse, dass sie überhaupt bereit sind, sich eines armen, ungewollten Kindes anzunehmen. Und glauben Sie mir, solche Leute gibt es tatsächlich.
    Ganz anders hingegen bei der künstlichen Befruchtung. Hier gibt es de facto nur zwei wirkliche Einschränkungen. Erstens, die Frau darf nicht alleinstehend sein, und zweitens, sie darf nicht lesbisch sein. Eine Ehe ist nur die Voraussetzung für die (nicht zu vernachlässigende) Kostenübernahme nach § 27a SGB V; möglich ist die künstliche Befruchtung somit auch für nicht verheiratete Paare – sofern sie heterosexuell sind. Die Musterrichtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion vom 17. Februar 2006 besagt zwar, dass künstliche Befruchtung grundsätzlich nur bei Ehepaaren durchgeführt werden soll. Sie kann jedoch auch bei unverheirateten Frauen angewandt werden, aber nur, wenn der behandelnde Arzt zu der Einschätzung gelangt ist, dass »die Frau mit einem nicht verheirateten Mann in einer festgefügten Partnerschaft zusammenlebt und dieser Mann die Vaterschaft (…) anerkennen wird«. Immerhin wird hier dem Kindeswohl durch das Erfordernis einer festgefügten Partnerschaft Rechnung getragen; verglichen mit den harten Anforderungen an adoptionswillige Paare ist das allerdings gar nichts.
    Auffällig sind auch die Unterschiede bei den Altersgrenzen. Ein gesetzliches Höchstalter für adoptionswillige Paare gibt es zwar nicht. In aller Regel aber vermitteln Jugendämter ausschließlich an Paare, bei denen beide Partner unter 40 Jahre alt sind – manche Jugendämter sogar nur an Paare unter 35 Jahren. Begründet wird dies damit, dass zwischen dem Kind und seinen neuen Eltern ein Eltern-Kind-Verhältnis geschaffen werden soll und kein Großeltern-Kind-Verhältnis. Demgegenüber beträgt das Höchstalter für die Kostenübernahme nach § 27a SGB V 40 Jahre für die Frau und 50 Jahre für den Mann. Wenn das Kind 20 wird, ist eine 40-jährige Frau 60, ein 50-jähriger Mann 70 Jahre alt. Wie war das noch mit dem Großeltern-Kind-Verhältnis?
    Fazit: Es ist beim besten Willen nicht einzusehen, warum an künstliche Befruchtung und Adoption so unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden – außer natürlich aus einer Weltsicht heraus, in der Vermehrung um jeden Preis gefördert werden muss. Diese Weltanschauung ist umso unverständlicher, wenn man hört, aus welchen Gründen Paare eine Adoption gar nicht erst in Betracht ziehen und sich entweder für künstliche Befruchtung entscheiden oder lieber gleich kinderlos bleiben. Die folgenden Zitate geben Aussagen wieder, die in zahlreichen Gesprächen immer und immer wieder zum Thema Adoption geäußert wurden: »Ich will meinem Kind ins Gesicht sehen und mich selbst in seinen Zügen erkennen können.« »Ich will unbedingt die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein.« »Adoption? Bloß nicht! Wer weiß, was man sich da für Gene ins Haus holt!« »Ich fühle mich als Versagerin, weil ich es nicht schaffe, schwanger zu werden. Eine Adoption ist das sichtbare Eingeständnis, dass ich keine richtige Frau bin.« »Solange es auch nur die geringste Chance gibt, dass ich ein Kind mit meinen eigenen Genen bekommen kann, kommt Adoption gar nicht infrage.« Und mein absolutes Lieblingszitat: »Ich könnte nie ein Kind lieben, das nicht von mir abstammt.« Nun ist Narzissmus ja nicht strafbar. Sein Ausleben sollte jedoch nicht auch noch von staatlicher Seite mittels der Förderung künstlicher Befruchtung erleichtert werden – schon gar nicht auf Kosten der

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