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Kindermund (German Edition)

Kindermund (German Edition)

Titel: Kindermund (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pola Kinski
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an ihren Busen. Jede der Frauen, seine Tanten, Schwestern, Cousinen, wollen ihn anfassen, umarmen. Ihre Jubelschreie klingen durch die Gassen.
    Wir sind Paolo nur zögernd gefolgt, halten uns im Hintergrund. Aber jetzt laufen Menschen auf uns zu, fassen uns vorsichtig an. Alle wollen uns ihre Häuser zeigen, bieten ihre Kostbarkeiten an, selbstgemachten Käse, frisches Brot, Salami. Wir werden herumgereicht von Haus zu Haus, denn Paolos Freunde sind auch Kinder von Buccino. Ich laufe die ganze Zeit barfuß, denn außer den Plateaustiefeln habe ich keine Schuhe dabei. Meine Fußsohlen sind an vielen Stellen aufgeritzt von spitzen Steinen. Es macht mir nichts aus, vom ersten Moment an habe ich mich hier wohlgefühlt. Und heute wird auf dem Dorfplatz ein Freudenfest gefeiert werden, Paolo, der verlorene Sohn, ist zurückgekommen.
    Aus allen Häusern dringt der Duft nach frischem Brot, nach Pizza, nach Gemüse und Kräutern. Männer spannen eine Lichterkette mit dicken bunten Glühbirnen quer über den Platz, von der Kirche bis zur Bar, zwei Frauen in Blumenkleidern und bunten Kopftüchern fegen den Erdboden. »Damit man gut drauf tanzen kann!«, lacht die eine und senkt sofort verschämt den Blick.
    Ich kann die Vorfreude auf mein erstes Dorffest kaum aushalten, aber zuerst müssen wir alle in die Messe. Ich laufe zurück zum Bus, um mich anständig anzuziehen, Bluse und Shorts kleben immer noch an mir, und der Pullover meines Vaters sieht auch nicht mehr besonders gepflegt aus. Ich wühle in meiner Tasche nach Jeans und T-Shirt. Dann ziehe ich auch die Stiefel wieder an, obwohl es sich sehr unangenehm anfühlt: ohne Strümpfe, die Füße schmutzig und blutig. Außerdem schäme ich mich vor den Menschen hier, wenn ich auf diesen Prothesen durchs Dorf stakse. Aber ohne Schuhe bin ich eine Zingara, eine Zigeunerin, für sie.
    Marina, eine Frau aus der Theatertruppe, lässt Wasser aus einem Kanister über meine Hände laufen, ich werfe es ins Gesicht. Mit den nassen Fingern versuche ich meine zerzausten Haare zu kämmen. Dann beeile ich mich, in die Kirche zu kommen.
    Die Messe hat schon angefangen. Der Sprechgesang des Priesters ist schon von weitem zu hören. Aber es klingt ganz anders, als ich es kenne. Seine Stimme wird übertönt von aufgeregtem Geplapper, von Kindergeschrei, von Lachen und Weinen. Je näher ich der Kirche komme, desto mehr erinnert mich der Lärm an ein Volksfest. Die Flügeltüren stehen offen, Kinder laufen zwischen den Beinen der Erwachsenen. Ihre Rennstrecke reicht vom Dorfplatz bis zum Altar. Die Kirche ist lichtdurchflutet. So hat sich Jesus bestimmt den Gottesdienst vorgestellt: fröhlich und lebendig.
    Das Akkordeon lockt mit einem Tango. Trauben von Mädchen und Jungen, Männer und Frauen, uralte Menschen, die sich mit dem Stock vorwärtstasten, sie alle strömen in die Mitte des Platzes und beginnen zu tanzen. Jeder wie er kann. Sogar die Alten drehen sich auf der Stelle im Kreis, wackeln mit dem Kopf zum Rhythmus der Musik.
    Ich glaube, sie haben alle Tische aus ihren Häusern auf den Platz geschleppt, haben steife weiße Tücher drübergebreitet, ihr bestes Geschirr aus den Truhen geholt. Fast jeder Teller ist anders. Dazwischen haben sie einen Teppich aus Früchten und Blumen gebreitet. Das ganze Dorf versammelt sich an der Tafel, die über den Platz und hinein in eine Gasse reicht. Kommen Neue dazu, rückt man zusammen, und in den Kellern finden sich weitere Sitzgelegenheiten wie Hocker, Kisten, Fässer. Köstliche Speisen werden herangetragen, duftende Gemüseeintöpfe, Nudeln, Fleischpfannen. Es herrscht ein Lärm wie auf dem Jahrmarkt. Die Menschen singen, lachen, schwatzen, essen, trinken. Irgendwo brennt auch ein Feuer. Die Flammen malen Schatten auf die vom Wein geröteten Gesichter. Aus manchem schaut ein Faun oder ein Gnom.
    Halbwüchsige Jungen lungern in meiner Nähe, schauen zu mir herüber. Manche stolzieren an mir vorbei wie Hähne, mustern dieses Mädchen mit den langen blonden Haaren, in engen Jeans, knappem T-Shirt und Plateaustiefeln. Nachdem der erste sich getraut hat, mich zum Tanz aufzufordern, verlieren auch die anderen ihre Scheu. Ich tanze ausgelassen, lache viel. In diesen Momenten vergesse ich mein Leben, ich empfinde nur Freude und Frieden.
    Plötzlich hakt mich eine ältere Frau unter und schleppt mich trotz meines Protestes weg von dem wogenden Fest, hinein in die Tiefe einer dunklen Gasse. Sie heißt Luiza und ist eine Tante von Paolo. Ich bemerke ein paar

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