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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unbezahlbare Publicity bringt, andernteils mit Schrecken, denn die Probleme, die sich auf tun, wollen auch gemeistert werden.
    Von der Frauenklinik rief Prof. Stumpfner an. Was er sagte, war so elektrisierend, daß Karchow einen roten Kopf bekam.
    »Mein lieber Hans«, berichtete Stumpfner, »bei mir sind soeben Vierlinge geboren worden! Jawohl, alle gesund, soweit man das bei Vierlingen sagen kann. Hast du Platz in deinen Brutkästen?«
    »Für deine Vierlinge immer!« rief Karchow fröhlich zurück. »Ich schicke sofort einen Spezialwagen rüber und hole sie ab.«
    »Da ist aber noch was, Hans.« Professor Stumpfner machte eine Kunstpause. »Zwei von den Kleinen sind Siamesen.«
    »Blödsinn!« Karchow lachte. »Entweder sind alle vier aus Siam oder gar keins. Zweimal verschiedene gibt's nicht.«
    »Hänschen, medizinisch Siamesen. Zwei der Kleinen sind am Kopf zusammengewachsen –«
    Das war es, was Karchow elektrisierte. Er sprang auf und drückte gleichzeitig auf zwei Knöpfe neben dem Telefon. Oberärzte zu mir, hieß das. Es schellte bei Dr. Julius und bei Dr. Heimbach.
    »Ist das auch sicher?« rief Karchow ins Telefon. »Bernhard, ich warne dich! Ich habe soeben Alarm gegeben. Am Kopf zusammengewachsen?«
    »Ja. Die anatomische Beschaffenheit im Inneren der Köpfe interessiert uns im Augenblick gar nicht, das heben wir uns für später auf. Es geht darum, die vier am Leben zu erhalten.«
    »Her damit! Ich habe einige Inkubatoren frei! In zwanzig Minuten ist der Wagen bei dir. Grüß dich, Bernhard.«
    »Mach's gut, Hans!«
    Karchow legte auf. Im gleichen Augenblick klopfte es. Die Oberärzte Julius und Heimbach traten ein. Sie sahen ihren Chef in freudigster Stimmung und schalteten innerlich um. Sie waren nach dem Alarm zum Chefzimmer gelaufen in der festen Gewißheit, einen Anraunzer zu bekommen. Nun sahen sie den Alten mit glänzenden Augen hinter dem Schreibtisch, und als er ihnen zuwinkte, waren die letzten Zweifel geschwunden.
    »Meine Herren«, sagte Karchow fast feierlich. »Wir bekommen Vierlinge zur Aufzucht! Aber das ist nicht alles … zwei von den Vierlingen sind am Kopf zusammengewachsen. Diese Möglichkeit ergibt sich etwa jedes zweimillionste Mal … daß die Kinder lebensfähig bleiben, ist überhaupt nicht errechnet!« Karchow reckte seine kleine, dickliche Gestalt wie Napoleon vor der Ansprache an seine Generäle. »Meine Herren! Es wird der Ehrgeiz unserer Klinik sein, nicht nur die vier durchzubringen, sondern auch die siamesischen Zwillinge später zu trennen, und zwar mit Erfolg.«
    Die beiden Oberärzte nickten stumm. Ihre Gedanken waren die gleichen: Der Alte freut sich wie eine alte Jungfer, die noch einen Mann gekriegt hat … wir aber werden die Hauptarbeit haben. Ihre Sorge war berechtigt, denn Karchow sprach weiter.
    »Herr Julius, Sie fahren mit dem Notdienstwagen zu Prof. Stumpfner in die Frauenklinik und holen die Kleinen ab. Herr Heimbach, Sie bereiten die Inkubatoren vor und lassen für die Vierlinge ein Zimmer räumen. Möglichst isoliert liegend, damit die Presse nicht das Zimmer stürmen kann. Wie ich Stumpfner kenne, hat er bereits ein Kommuniqué herausgegeben. Und sagen Sie Wollenreiter, daß er alles abfangen soll, was nach den Vierlingen fragt. Ich werde morgen selbst das Nötige in die Presse geben –«
    Station I wurde von einer hektischen Betriebsamkeit überflutet, ohne daß die große Klinik auf den anderen Stationen etwas merkte. Nur Dr. Sandru Petschawar wurde von Professor Karchow attackiert, als dieser selbst die Bereitstellung der Inkubatoren überprüfte.
    »Sagen Sie mal«, sagte Karchow leichthin, »bei Ihnen sind doch Mehrgeburten nicht selten.«
    »Nein, Herr Professor.«
    »Aber sie sterben meistens, nicht wahr? Passen Sie darum gut auf, wie man das bei uns macht, im rückständigen medizinischen Germany. Wir haben zwar keine Krankenhauspaläste, wo man den Patienten auf den Klosetts den Hintern mit Heißluft trocknet, aber wir haben Hygiene und Sauberkeit und vor allem physiologische Lebensbedingungen –«
    Dr. Sandru schwieg. Er biß sich auf die Unterlippe, beugte sich über einen der Inkubatoren und stellte den CO₂-Gehalt der temperierten Luft in dem Glasgefäß ein, in dem die Säuglinge sich weiterentwickeln sollten.
    Befriedigt verließ Karchow das Sonderzimmer. Man kann es ihnen nie zu oft sagen, dachte er, wie große Idioten sie sind. Selbstbewußt werden sie später schnell genug. Wir alle haben auf unsere Chefs geschimpft … und wie

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