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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erpressers zu lassen, der dann beliebig seine Forderungen steigern kann, ist es für mich als Staatsbeamten unmöglich, ein solches Subjekt noch länger in Freiheit zu sehen. Ich werde diesen Kallenbach verhaften lassen.«
    »Und dann?«
    »Dann wird ihm der Prozeß gemacht.«
    »Und im Prozeß redet er, und die Presse erfährt es doch.«
    Dr. Allach nahm die Hand vom Telefon. Die Situation war nicht so einfach, das erkannte er völlig. Aber ebenso sicher war es, daß er als Vertreter des Staates eingreifen mußte, wenn eine strafbare Handlung bekannt wurde. »Wo wohnt dieser Kallenbach?« fragte er.
    »Ich weiß es nicht. Er will wiederkommen. Um 15 Uhr.« Karchow strich sich nervös über den kahlen Schädel, als sprössen noch die blonden Haare, mit deren Locken er als Student die meisten Erfolge bei Haustöchtern hatte.
    »Ich werde auch hier sein.«
    »Und Kallenbach verhaften?«
    »So sicher wie das Amen in der Kirche.«
    »Und der Prozeß?«
    »Es wird keinen geben. Wenn dieser Kallenbach, wie er sagt, das Geld will, um ruhig zu leben, so wird er es sich überlegen, ob er sein ruhiges Leben hinter Gittern verbringen will.«
    Karchow nickte. »Du mußt es wissen, Heinz. Ich hatte geglaubt, du würdest mir zustimmen, wenn ich Kallenbach das Geld zahle –«
    »Nie!« Dr. Allach lächelte sarkastisch. »Ich bin Beamter, Hans. Bei uns geht man eine gerade Straße, auch wenn sie an einer Mauer endet und man sich den Kopf einrennt. Aber sie ist gerade – das allein ist wichtig.«
    Am nächsten Tag wurde Peter Kallenbach von Kriminalkommissar Gutenberg im Beisein des Staatsanwaltes Dr. Allach verhaftet. Professor Karchows Mitwirkung erschöpfte sich in dem lapidaren Satz:
    »Mein lieber Kallenbach … ich kann nicht anders. Es geht nicht um die 200 DM –«
    »Ich weiß, Herr Professor.« Kallenbachs altes, verfallenes Gesicht schien über Nacht noch mehr Runzeln bekommen zu haben. »Es geht allein um das Recht! Und das wollen wir jetzt durchexerzieren, jawoll! Ich lasse mich nicht mundtot machen! Damals, in der Klinik, da haben Sie mich vor allen anderen angeschrien, weil ich ein Klistier zu kalt gegeben hatte. ›Sie wollen wohl den Patienten verstümmeln?‹ haben Sie gebrüllt. ›Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Kallenbach? Einen Darm reizt man zärtlich wie eine Jungfrau, aber Sie gehen ran wie ein Marokkaner nach zwei Flaschen Wein!‹ Von da an hieß ich in der Klinik nur noch der ›Darmreizer‹. Immer habe ich es gehört: Da kommt der Darmreizer! Jede junge Schwester wurde darauf hingewiesen. Der da, sehen Sie den, das ist unser Darmreizer. Ich wurde zu einer Spottfigur … jahrelang, bis zu meiner Pensionierung. Glauben Sie, das vergißt man, Herr Professor? Aber mit 'nem kleinen Mann kann man ja so etwas machen. Doch jetzt geht es anders rum! Jetzt werden die Großen gekniffen!«
    Nach dieser Rede ließ er sich willig abführen, als habe er sich völlig ausgepumpt.
    Dr. Allach blieb zurück. Prof. Karchow stand am Fenster, trommelte an die Scheiben und bebte vor Erregung.
    »Da haben wir das Motiv«, sagte Dr. Allach leise. »Gekränktes Ehrgefühl, aufgespeichert über Jahre hinweg, bis es aufbricht wie ein Vulkan. – Stimmt das mit dem Klistier?«
    »Mag sein. Mein Gott, soll ich jedes Gespräch mit meinen Pflegern und Schwestern notieren?«
    »Wußtest du, daß man Kallenbach diesen Spottnamen gegeben hat?«
    »Natürlich nicht. Ich kenne ja meine eigenen nicht mal.«
    »Hans im Dynamit –«
    »Wie bitte?«
    »Einer von ihnen.«
    »Und saudumm dazu! Meine Ärzte haben keinen Humor mehr. Es ist zum Weinen.« Karchow trat vom Fenster weg. »Wir hatten damals als junge Schlipse andere Namen für unsere Chefs. Einer, Professor Lohrbeck, hieß zum Beispiel ›Prostata-Akrobat‹. Jeder kannte seine Hypertrophie, aber er behandelte sich nicht. Ist auch später daran gestorben.« Karchow sah durch das Fenster, wie man unten den Krankenpfleger Kallenbach in den grünen Polizeiwagen schob, als sei er ein Raubmörder. »Ich hätte ihm doch 200 DM geben sollen –«, sagte er leise. »Schon wegen seiner jahrelangen seelischen Qual … es wäre ein gerechtes Schmerzensgeld gewesen, Herr Staatsanwalt. Aber nun ist es zu spät.«
    »Ja.« Dr. Allach nickte. »Nun ist es zu spät. Das Räderwerk der Justiz hat ihn aufgenommen, er wird verschrottet –«
    Zwei Tage später kam über die Klinik ›Bethlehem‹ das seltene Glück, von dem jeder Chefarzt träumt … einesteils im Guten, weil es Ruhm und

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