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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schnellen Schwimmstößen erreichte er den Kahn und drückte ihn vor sich her zum Segelboot zurück.
    »Wirf eine Leine rüber«, rief er prustend, als er mit dem Kahn längsseits war. Renate sah sich um.
    »Was für eine Leine?«
    »Leine, mit einem L am Anfang!«
    »Dümmere Bemerkungen fallen dir wohl nicht ein?« Jetzt war sie die Unterlegene, sie merkte es, und sie ärgerte sich rot darüber. Nach einigem Suchen fand sie am kleinen Ruderhaus eine Taurolle, schleppte sie zur Bordwand und warf sie ins Wasser. Ein Ende band sie um die kleine Ankerwinde und hielt sich dann an irgendeinem gespannten Seil fest, weil das Boot zu schwanken begann.
    Dr. Julius kletterte wieder an Bord. Er schüttelte das Wasser aus seinen Haaren, trocknete sich mit einem Handtuch notdürftig ab und kam wie ein alter Seemann, mit wiegendem Gang, zu Renate Vosshardt.
    Ohne ein Wort zu sagen, nahm er ihren Kopf in beide Hände, zog die vor Verblüffung Erstarrte an sich und küßte sie. Ebenso plötzlich ließ er sie wieder los, drehte sich um und sagte im Weggehen:
    »So, das wollte ich immer schon sagen.«
    »Bist du verrückt?« stotterte Renate. »Wir sind doch entlobt –«
    »Aber ich werde ein Playboy. Playboys küssen gern, oder nicht?«
    »Hast du zuviel Wasser geschluckt? Oder spürst du so etwas wie einen Sonnenstich? Du kannst mich doch nicht einfach küssen.« Tränen standen ihr in den Augen … sie wußte selbst nicht, ob es Tränen der Wut oder des Glückes waren.
    »Ich kann noch mehr!« Rrr-ritsch … das Segel glitt wieder hoch und blähte sich im Wind. »Wir segeln jetzt zurück, brechen den Urlaub ab und heiraten!«
    »Du hast doch einen Sonnenstich –«, sagte Renate und setzte sich auf die Ankerwinde. »Ich habe vierzehn Tage im voraus bezahlt! Die ferienge ich ab.«
    »Eine neue Wortschöpfung, aber trotzdem feriengen wir nicht, sondern heiraten! Ich habe es satt, dir ab und zu immer wieder zu begegnen und dich dann umzurennen! Und außerdem hast du dich dumm benommen.«
    »Du!«
    »Ich habe dir keinen Anlaß gegeben –«
    »Himmel! Fängt das schon wieder an? Was macht diese Schlange Lisa?«
    »Sie ist noch da und ringelt sich um Wollenreiter.«
    »Ach –«
    »Ja, ach …! Siehst du nun, wie dumm du warst?« Dr. Julius glitt vor dem Wind dem Ufer des Wörthersees entgegen. »Also, wie ist das? Heiraten wir?« schrie er und hatte Mühe, das Boot richtig zu lenken und langsam zum Ankerplatz und zu den Stegen zu bringen. Renate hielt sich wieder fest, irgendwo unter ihnen bumste es.
    »Ja! Damit du endlich zufrieden bist«, rief sie zurück. »Aber die Vorausbezahlung –«
    »Wohnen wir auf der Hochzeitsreise ab –«
    In diesem Augenblick fiel Renate zum zweitenmal ins Wasser. Das Boot stieß gegen den Steg, an dem Julius elegant anlegen wollte, machte einen erschrockenen Hüpfer nach rückwärts und schüttelte sich wie ein nasser Hund. In einem sanften Bogen flog Renate über Bord, dem Gesetz der Fliehkraft gehorchend.
    Lachend zog Dr. Julius sie auf den Steg, und er lachte immer mehr, je wütender Renate wurde.
    »Du Stümper«, schrie sie und schüttelte ihre langen, nassen Haare. »Du Anfänger! Du Angeber! O Gott, wäre ich doch nie auf den Gedanken gekommen –«
    »Auf welchen Gedanken?« fragte Dr. Julius und drückte die flachen Hände gegen sein Zwerchfell.
    »Dich hier zu treffen!« Renate Vosshardt stampfte auf und ballte die Fäuste. »Wollenreiter hat mir vier Wochen vorher geschrieben, daß du am Wörthersee Urlaub machen willst …«
    Wieder fand die Hochzeit nicht statt.
    Aber diesmal war es keine Lisa Heintel, die es verhinderte, keine Eifersucht oder eine Auseinandersetzung um Lappalien, sondern Prof. Karchow empfing die zu früh Heimgekehrten mit der Mitteilung:
    »Gut, daß Sie kommen, Julius. Guten Tag, Renate. Na, alles in Ordnung? Was so eine Luftveränderung ausmacht! Wir müssen die Siamesen operieren.«
    »Müssen? Wieso denn?« Oberarzt Dr. Julius betrachtete die neuesten Röntgenaufnahmen. Er hatte das befürchtet. Trotz des Einschnürkorsetts entwickelten sich die beiden Köpfe eigenständig. Dort, wo die Schädeldecken zusammenstießen, begannen sie, sich zu hindern, das Wachstum wurde gehemmt, die Köpfe deformierten sich, flachten ab … trennte man die Kinder jetzt nicht, würden ihre Köpfe später mehr breit als lang sein, unförmige Birnenköpfe. Die Zeitspanne von mindestens zwei Jahren, die Julius für nötig hielt, wurde durch das schnelle Wachstum überholt. Eine Operation

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