Kinderstation
Operationsstelle, indem sie sie mehrmals mit in Waschäther getränkten Tupfern abwuschen, mit 70%igem Alkohol reinigten und dann mit einer 5%igen Jodtinktur bestrichen.
Dann trug Bramcke seinen Bruno liebevoll wie ein Kind auf den Armen in den Nebenkeller und legte ihn auf den OP-Tisch. Der Schimpanse wurde festgeschnallt, wie in einem richtigen OP wurde er ganz mit blaugefärbten, sterilen Tüchern abgedeckt, bis auf das Operationsfeld. Plötzlich öffnete sich die Tür und Prof. Karchow trat ein. Renate rückte gerade den Scheinwerfer richtig. Bruno schnarchte laut, was Bramcke elegisch werden ließ.
»Da komme ich ja gerade zur rechten Zeit«, sagte Karchow und beugte sich über den abgedeckten Affenkopf. »Er müßte eigentlich die Größe der Kinderköpfe haben. Haben Sie gemessen, Julius?«
»Die anatomischen Maße sind fast gleich. Wir werden unter den gleichen Arbeitsbedingungen operieren wie später an den Zwillingen.«
»Dann mal los!«
Wollenreiter kontrollierte noch einmal Atmung und Puls, Herztätigkeit und Blutdruck.
Bruno war ein gesunder Affe, die Narkose bewältigte er wie einen tiefen Schlaf.
Als sich Dr. Julius das Skalpell geben ließ, verließ Nachtwächter Bramcke den Operationskeller. Nicht, daß er kein Blut sehen konnte, aber es war ihm unmöglich, daneben zu stehen, wie man Bruno den Kopf aufschnitt und die Schädeldecke aufsägte.
Die Operation dauerte vier Stunden. Die größte Schwierigkeit bei der Transplantation einer Ader ist die Vermeidung einer Luftembolie, da das Einsetzen des neuen Zwischenstückes aus Kunststoff ja nicht in einem Vakuum geschehen kann.
Vier künstliche Gefäßstücke setzte Dr. Julius ein, die gleichen Gefäße, die bei der Trennung der siamesischen Zwillinge ebenfalls durchtrennt und mit dem körpereigenen Blutkreislauf verbunden werden mußten.
Prof. Karchow saß neben dem OP-Tisch auf einem Hocker und schwitzte vor Aufregung. Er war Kinderarzt, er hatte einen internationalen Namen, die Trennung der Zwillinge würde – falls sie gelang – mit seinem Namen verbunden sein. Aus der Klinik Prof. Karchows, würde es heißen. Aber aller Erfolg lag allein in den Händen seines Oberarztes und Günstlings Dr. Julius, und so hielt er wie die anderen am OP-Tisch den Atem an, als Julius das letzte, das dickste Gehirnvenenstück eingesetzt hatte und den Blutdurchgang wieder freigab.
»Puls flach –«, meldete Dr. Wollenreiter mit belegter Stimme. »Atmung normal, Blutdruck 60 zu 85. Herz flattert etwas.«
»Gib mir eine Coramin, Renate«, sagte Dr. Julius. Er trat zurück, lehnte sich an die Wand und riß sich die Schürze vom Leib. Tiefe Ringe lagen unter seinen Augen, er hatte das Gefühl, umfallen zu müssen und zu schlafen. Die Müdigkeit lag wie eine Bleiplatte auf seinem Kopf. Dazu kam eine plötzliche Not, zu wenig Luft zu bekommen. Das Herz hämmerte gegen die Rippen.
Prof. Karchow erhob sich und ging auf ihn zu.
»Julius«, sagte er leise. »Ich werde mich dafür einsetzen, daß bei der nächsten freien Professur Sie den Stuhl bekommen.«
Dr. Julius nickte müde. Renate und Dr. Wollenreiter vernähten jetzt die Operationswunde, nachdem sie die herausgesägte Schädeldeckenscheibe wieder eingepaßt hatten. Bruno würde einige Wochen noch Kopfschmerzen haben, weiter nichts … wenn die Operation gelungen war, wenn Hirn und Gefäße die eingesetzten Fremdkörper annahmen und nicht nach einiger Zeit wieder abstießen. Eine Nekrose im Hirn war ein Todesurteil.
Auch Bramcke kam wieder in den Keller. Er hatte an der Tür gelauscht. Mit ihm wallte eine Fahne von Alkohol herein. Vier Stunden Warten und Qual kann ein richtiger Mann nur mit einer Flasche aushalten.
»Bru-Bruno –«, sagte er und blinzelte Dr. Wollenreiter an. »Lebt er noch?«
»Wenn Sie ihn nicht gleich mit Alkohol vergiften«, sagte Wollenreiter grob. »Hauchen Sie ihn bloß nicht an!«
Beleidigt verließ Bramcke wieder den Keller und setzte sich neben den leeren Stall. Wie man sich an ein Tier gewöhnen kann, dachte er. Und wenn's ein Affe ist. Aber was hat man denn als alter Mann noch auf der Welt –?
Eine Woche später sah man klarer.
Bruno hatte den Eingriff überstanden. Er hatte zweifellos Kopfweh, saß beleidigt in seinem Käfig und hielt sich ab und zu den Schädel fest, aber er aß wieder normal, fletschte Prof. Karchow an, der ihn ab und zu besuchte, und tippte an seine Stirn, wenn Wollenreiter mit ihm sprechen wollte.
»Er ist völlig gesund, das beweist es«, sagte
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