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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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undurchdringlich wie immer.
    „ Julian … Élisabeth … Dann sind wir jetzt also alle Kumpel. Und was sagte diese E-Mail?“
    „Dass er wieder zuschlagen wird, dass er seine Freiheit genießt.“
    „Und glauben Sie ihm?“
    „Was meinen denn Sie dazu?“
    Das Lächeln auf ihren ungeschminkten Lippen war wie die Narbe eines Messerstichs.
    „Zeigen Sie mir die E-Mail, vielleicht sage ich es Ihnen.“
    „Nein.“
    Das Lächeln war weg.
    „Sie sehen müde aus, Martin … Wie jemand, der nicht viel Schlaf bekommt, irre ich mich? Seinetwegen , oder?“
    „Auch Sie scheinen nicht gerade in Hochform zu sein, Lisa. “
    „Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Lässt Ihnen Hirtmann keine Ruhe? Befürchten Sie, dass er es auf Sie abgesehen hat? Haben Sie Kinder?“
    Unter dem Tisch bohrte er seine Fingernägel in die Handflächen. Dann legte er die Hände flach auf seine Oberschenkel, stellte die überkreuzten Unterschenkel nebeneinander und versuchte, sich zu entspannen. Irgendetwas an Élisabeth Ferney ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Er spürte die plötzliche Feuchtigkeit unter seinen Achseln.
    „Übrigens, warum gerade Sie? Wenn ich mich nicht irre, sind Sie ihm nur einmal begegnet. Ich erinnere mich an Ihren Besuch im Institut. Mit diesem kleinen Psychologen mit Spitzbärtchen und dieser Gendarmin … Hübsches Ding. Worüber haben Sie sich an diesem Tag mit Julian unterhalten, dass er sich derart auf Sie fixieren konnte? Und ist er nicht auch für Sie zu einer Obsession geworden?“
    Er sagte sich, dass er sie nicht den Verlauf des Gesprächs bestimmen lassen durfte. Élisabeth Ferney war vom gleichen Schlag wie Hirtmann: eine manipulative, narzisstische Psychopathin, ein zutiefst egozentrischer Mensch, der in einem fort versuchte, Macht über die Gedanken der anderen zu erlangen. Er wollte etwas sagen, aber sie kam ihm zuvor.
    „Und da haben Sie gedacht, vielleicht hat er ja Kontakt zu seiner früheren Komplizin aufgenommen, oder? Mal angenommen, ich wüsste etwas, warum sollte ich es Ihnen sagen? Ausgerechnet Ihnen?“
    Auch diese Frage hatte er vorhergesehen. Er hielt ihrem Blick stand.
    „Ich habe mit dem Richter gesprochen. Sie erhalten Zugang zu Tageszeitungen und dürfen den Lehrgang für Mikroinformatik besuchen. Außerdem dürfen Sie einmal pro Woche unter Überwachung im Internet surfen. Ich werde mich persönlich davon überzeugen, dass der Beschluss des Richters von der Verwaltung dieser … Einrichtung gewissenhaft umgesetzt wird. Ich gebe Ihnen mein Wort.“
    „Und wenn ich Ihnen nichts zu sagen habe? Wenn Hirtmann keinen Kontakt zu mir aufgenommen hat? Gilt der Deal dann auch?“
    Sie lächelte boshaft. Er antwortete nicht.
    „Was garantiert mir, dass Sie Ihr Wort halten, dass Sie nicht bluffen?“
    „Nichts.“
    Sie lachte. Aber es war ein freudloses Lachen. Seine Taktik war aufgegangen. Er sah es in ihrem Blick.
    „Nichts“, wiederholte er. „Nichts garantiert Ihnen das. Alles hängt davon ab, ob ich Ihnen glaube oder nicht. Alles hängt von mir ab, Élisabeth. Aber Sie haben im Grunde keine wirkliche Wahl, nicht wahr?“
    Ihre Augen funkelten vor Zorn und Hass. Sie hatte diesen Satz wohl selbst so oft ausgesprochen, dass sie ihn wiedererkannte, auch aus dem Mund eines anderen. Der Satz des Mächtigen. Mittlerweile hatten sich die Rollen vertauscht, und sie war sich dessen nur allzu bewusst. Sie war so oft an seiner Stelle gewesen, als sie mit Dr. Xavier das Institut Wargnier leitete – und ihren Patienten wahlweise drohte oder schmeichelte, ihnen eindringlich vor Augen führte, was sie zu gewinnen oder zu verlieren hatten, und ihnen genau das sagte, was er ihr gerade vorgehalten hatte: Dass sie keine Wahl hatten, dass alles von ihr abhing.
    „Anders als Sie habe ich von Julian Hirtmann nichts gehört“, antwortete sie, und er hörte aus ihrer Stimme echte Frustration und Traurigkeit heraus. „Er hat nicht versucht, wieder mit mir Kontakt aufzunehmen. Ich habe lange auf ein Zeichen gewartet. Irgendetwas … Sie wissen wie ich, dass nichts leichter ist, als einem Häftling eine Nachricht zukommen zu lassen. Aber dazu kam es nie … Nein. Dafür habe ich eine andere Information, die Sie interessieren dürfte.“
    Wieder hielt er ihrem Blick stand; er war hellwach.
    „Ein Computer einmal pro Woche und Zugang zu Tageszeitungen, sind wir uns einig?“
    Er nickte.
    „Jemand ist Ihnen zuvorgekommen. Jemand, der genau das Gleiche wissen wollte wie Sie. Und seltsamerweise

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