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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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hat mir alles erzählt.“
    „Warum sollte sie das?“
    „ Weil wir ein Liebespaar waren.“
    Servaz sah ihn unverwandt an, während er die Neuigkeit verdaute.
    „Ich weiß, was Sie denken. Ich war siebzehn und sie 32. Aber wir haben uns geliebt … Sie kannte Paul Lacaze vor mir. Sie wollte mit ihm Schluss machen. Er war total in sie verknallt. Und eifersüchtig. Er hatte sie seit einiger Zeit im Verdacht, einen anderen zu haben. Sie hatte Angst, er würde durchdrehen, einen Skandal machen, wenn er erfährt, dass sie ein Verhältnis mit einem Schüler hat, noch dazu einem Minderjährigen. Andererseits war er in seiner Situation ja auch machtlos. Er konnte es sich nicht erlauben, das an die große Glocke zu hängen.“
    „Seit wann lief das?“, fragte Servaz.
    „Seit ein paar Monaten. Anfangs war es so, wie ich es Ihnen erzählt habe: Wir sprachen über Literatur, sie interessierte sich für das, was ich schrieb, sie glaubte an meine Begabung, und sie wollte mit Mut machen, mir helfen. Hin und wieder lud sie mich zum Kaffee zu sich ein. Sie wusste, dass das ein gefundenes Fressen für Marsacs böse Zungen sein würde, aber das war ihr egal: Claire war nun mal so, sie war frei und stand über diesen Dingen. Sie scherte sich nicht um das Gerede der Leute. Und dann haben wir uns allmählich verliebt … Seltsam, weil sie eigentlich gar nicht mein Typ ist. Aber … einer wir ihr war ich noch nie begegnet …“
    „Warum hast du das weder dem Richter noch mir erzählt?“
    Hugo starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
    „Das soll wohl ein Witz sein? Das hätte mich doch nur noch verdächtiger gemacht!“
    Er hatte recht.
    „Könnte Paul Lacaze von Claire und dir gewusst haben? Denk nach. Das ist wichtig.“
    „Ich weiß, was Sie meinen“, antwortete Hugo traurig. „Offen gesagt, ich weiß es nicht … Sie hatte mir versprochen, ihm alles zu sagen. Wir hatten ein langes Gespräch darüber. Ich hab diese Situation nicht mehr ertragen, ich wollte, dass sie ihn nicht mehr trifft. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie es getan hat. Sie hat es ständig hinausgezögert, sie fand ständig Ausreden, um es auf später zu verschieben … Ich glaube, sie hatte Angst vor seiner Reaktion.“
    Servaz dachte an Claire Diemars leidenschaftliche E-Mails an Thomas999, an ihre Beteuerungen ewiger Liebe. Er dachte an den Haufen Kippen im Wald, an die schemenhafte Gestalt, die nach Hugo das Pub verließ, an die Aussagen des Jungen, er sei ohnmächtig geworden und in Claires Wohnzimmer wieder zu sich gekommen. Vielleicht hatte man Paul Lacaze gar nichts mehr sagen müssen. Vielleicht wusste er bereits.
     
    Auf dem Parkplatz der JVA traf ihn die Juni-Hitze wie ein Aufwärtshaken. Die Sonne hing wie eine Lampe im milchigen Himmel, und er hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Er machte die Türen des Cherokee weit auf, damit die Hitze aus dem Fahrgastraum wich. Links von ihm, weniger als dreihundert Meter entfernt, erhoben sich die Mauern und Wachtürme des zweiten Gefängnisses – der JVA Muret. Dort waren die Langzeithäftlinge untergebracht, und im Gegensatz zu dem Gefängnis, das es gerade verlassen hatte, war unter den 600 Insassen keine einzige Frau.
    Er nahm sein Handy heraus und wählte eine Nummer.
    „Ziegler“, meldete sich die Stimme am anderen Ende.
    „Wir müssen reden.“
     
    „Du bist ja richtig braungebrannt.“
    „Ich bin frisch aus dem Urlaub zurück.“
    „Wo warst du?“
    Die Antwort interessierte ihn nicht im Geringsten. Aber es wäre unhöflich gewesen, nicht zu fragen.
    „Kykladen“, antwortete sie in einem Tonfall, aus dem hervorging, dass sie sich nicht täuschen ließ. „Faulenzen, in der Sonne liegen, Jet-Ski, Wandern, Besichtigungen, Tauchen …“
    „Ich hätte dich schon längst anrufen sollen“, unterbrach er sie. „Ich hätte mich nach dir erkundigen sollen, aber du weißt ja, wie es ist, ich war … hm … beschäftigt.“
    Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen, die im Schatten großer Bäume die angenehm temperierte Terrasse der Bar basque an der Toulouser Place Saint-Pierre bevölkerte.
    „Du musst dich nicht rechtfertigen, Martin. Ich hätte genauso gut anrufen können. Und was du für mich getan hast … ich meine diesen sehr positiven Bericht, den du damals geschrieben hast … Sie haben ihn mir zu lesen geben, weißt du“, log sie. „Ich hätte mich bei dir bedanken müssen.“
    „Ich habe ihnen nur gesagt, wie es war.“
    „Nein, du hast die Dinge aus

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