Kindertotenlied: Thriller (German Edition)
war. Nach dieser ganzen Aufregung fiel es ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Das Beruhigungsmittel wirkte, er fühlte sich immer schwerer und benebelter. Aber die Dringlichkeit ließ sein Herz schneller schlagen. Er musste unter allen Umständen wach bleiben. Irgendein wichtiger … ein lebenswichtiger Gedanke geisterte ihm im Kopf herum.
46
Unentschieden
Er machte nur einen Fehler, aber der genügte.
Ziegler erinnerte sich, wie er kurz ihre Brüste gestreift hatte, ehe er ging. Wegen der Schmerzen atmete sie kurz und pfeifend. Sie lag ausgestreckt auf dem Rücken, mitten auf dem Gang, die Hände gefesselt. Sie krümmte sich wie ein Wurm, verzog das Gesicht und biss die Zähne zusammen; so bekam sie unter der Jacke den unteren Rand ihres T-Shirts zu fassen und begann, heftig daran zu ziehen. Meine Güte, dieser verflixte Plunder war widerstandsfähiger, als sie gedacht hatte. Aus Leibeskräften zog sie, aber vergeblich: das Gewebe wollte einfach nicht reißen. Verdammt! Made in China, von wegen! Sie legte den Nacken auf den staubigen Boden, um Atem zu schöpfen. Sie zwang sich zum Nachdenken. Dann drehte sie den Kopf zur Fußleiste neben ihrem Gesicht. Ein Nagel … Ganz offenbar hatte ihn der Hammer verfehlt, denn er stand ein oder zwei Zentimeter weit über. Sie kroch seitlich noch näher an die Wand. Ein Nagel mit flachem Kopf, groß genug. Es war eine idiotische Idee, aber sie konnte nichts verlieren, wenn sie es ausprobierte … Sie rutschte auf dem Hintern, bis sich der Nagel auf der Höhe ihres Nabels befand, dann versuchte sie sich auf den Rücken zu drehen. Verblüfft stellte sie fest, wie schwierig das war, wenn die Hände im Rücken gefesselt waren. Das Hauptproblem war ihr rechter Ellbogen, an dem sie hängen blieb. Obwohl sie Schwung holte, blockierte dieser verdammte Ellbogen jedes Mal ihre Rollbewegung. Ganz zu schweigen von den Schmerzen, denn dieser Mistkerl Jovanovic hatte sie mehrfach genau dorthin geschlagen. Beim dritten Versuch gelang es ihr schließlich, das Hindernis zu überwinden; Wange und Schulter drückten unmittelbar über der Fußleiste gegen die Wand, der übrige Körper steckte zwischen Boden und unterem Ende der Wand, und der Nagel drückte jetzt direkt unter ihrem T-Shirt gegen ihren Bauch. Du hast es beinahe geschafft … So fest sie nur konnte, presste sie nun ihr Becken gegen die Fußleiste und begann langsam nach unten zu kriechen, damit der Nagel ihre Brust erreichte. Auch das war verdammt schwierig. Erleichtert spürte sie, dass ihr T-Shirt im Vorbeistreifen an dem Nagel hängengeblieben war. Als der Nagel das T-Shirt ausreichend angehoben hatte, holte sie tief Luft. Eins, zwei, drei … Sie stieß sich in einer möglichst heftigen Bewegung von der Wand ab … das Geräusch des reißenden T-Shirts ließ sie beinah frohlocken.
Sie schloss die Augen, hielt einen Moment inne und lauschte. Sie hörte, wie er in einer Schublade seines Schreibtischs herumstöberte und dann ein Magazin in seine Pistole einführte. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter. Dann bemerkte sie, dass er gleichzeitig telefonierte.
Ein Aufschub …
Vor lauter Anspannung vergaß sie beinahe den Schmerz. Sie packte mit ihren gefesselten Händen den hinteren Bund ihrer Jeans und wand sich in alle Richtungen, bis sie Hüften, Po und den größten Teil ihrer Schenkel aus der Hose herausgezogen hatte, dann schlug sie wie wild um sich und kroch über den Boden, um die Hose vollständig abzustreifen und sie schließlich mit den Füßen in eine Ecke zu stoßen. Ihr gesamter von Schmerzen gepeinigter Körper protestierte, aber sie hatte es geschafft … Dieser Mistkerl wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte. Sie trug jetzt nur noch ihre offene Lederjacke über ihrem zerrissenen T-Shirt, ihren BH und ihr knappes rosa Höschen. Mit gespreizten Beinen wartete sie in einer völlig schamlosen Stellung darauf, dass er zurückkam. Jetzt oder nie , sagte sie sich, Bühne frei für das kleine Rotkäppchen und den großen bösen Wolf …
„Was ist denn mit dir los?“
Sie hob den Kopf. Sah seinen leuchtenden Blick auf ihren Brüsten, ihrem Bauch, ihrem Slip …, und da wusste sie, dass ihre Strategie aufging. Dass er zu dieser Kategorie von Männern gehörte. Vielleicht würde es nicht funktionieren, aber eine winzige Chance hatte sie. Zlatans Blick blieb an ihren Schenkeln hängen. Er wirkte perplex. Schien intensiv nachzudenken. Er wusste, dass es nicht der Moment war - aber es fiel ihm schwer, die
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