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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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kümmern, zog sie ihre beiden gefesselten Arme so weit nach hinten, bis sie einen Winkel von 45 Grad zu ihrem Rücken bildeten. Die Waffe schwebte jetzt etwa vierzig Zentimeter über dem Boden, und sie drückte mehrfach schnell hintereinander den Abzug, schoss aufs Geratewohl quer durch das kleine Zimmer hinter sich, in Richtung Fenster, das sie im Vorübergehen flüchtig wahrgenommen hatte. Die Schüsse gellten ihr in den Ohren und hallten von den Wänden wider. In ihrem Rücken hörte sie, wie die Fenster des kleinen Zimmers lärmend explodierten. Durch das Ohrensauen hindurch glaubte sie von der Straße unten Schreie zu hören.
    „Ich glaube, diesmal lässt die Kavallerie nicht lange auf sich warten“, antwortete sie zufrieden.
     
    Ein weiterer Gedankekam ihm, ein naheliegender, spontaner, erschreckender: Wenn er recht hatte, schwebte auch er selbst in Gefahr. Sogar in diesem Krankenhaus. Denn anders als er dachte, wusste der Mörder, wo er ihn finden konnte. Wusste, dass er schutzloser war denn je. Wusste, dass dies eine einzigartige Chance war.
    Servaz sagte sich – und bei diesem Gedanke wurde ihm übel -, dass er wahrscheinlich bereits unterwegs war.
    Wie er so am Bettrand saß, überkam ihn panische Angst. Es war keine Minute zu verlieren, er musste zusehen, dass er hier wegkam. Schnell. Sich irgendwo in Sicherheit bringen. Er betastete seine Kleidung: Er trug eine Art leichten Baumwollpyjama. Wieder tastete er nach der Klingel und drückte. Nichts.
    Instinktiv sah er sich um, obwohl er nichts sah, und streckte beim Aufstehen die Hände vor sich aus. Er betastete die Wände. Spürte eine körnige Schicht und ein Wirrwarr von Schläuchen. Schließlich stieß er in der Nähe des Kopfendes auf einen Stuhl mit einer großen Plastiktüte. Er steckte die Hand hinein. Seine Kleider … Schnell zog er die Pyjamahose aus und schlüpfte in seine Jeans, nahm sein Handy vom Tisch und steckte es in die Tasche, dann zog er seine Schuhe an, ohne sich die Mühe zu machen, sie zu schnüren. Als er damit fertig war, ging er zu der Stelle, wo er die Tür vermutete.
    Er öffnete sie. Der Gang erschien ihm befremdlich still. Er fragte sich, wo das Personal abgeblieben war. Dann leuchtete in seinem Gehirn ein Wort auf: Fußball . Es gab bestimmt noch andere Spiele als die der französischen Nationalmannschaft. Vielleicht waren sie aber auch in eine andere Etage gerufen worden. Personalmangel, Mittelkürzungen: immer die gleiche Leier … Es war schon spät, die Spätschicht war zu Hause. Er erschrank, drehte den Kopf nach rechts und links. Auf einmal fühlte er sich in diesem menschenleeren Gang schutzlos ausgeliefert.
    Alle Sinne aufs Äußerste geschärft, streckte er die Arme vor sich aus, bis seine Hände die Wand gegenüber berührten. Die gleiche körnige Oberfläche wie in seinem Zimmer. Er beschloss, an der Wand entlangzugehen, und entschied sich willkürlich für links. Auf irgendjemanden würde er schon stoßen. Beinahe wäre er über einen Klinikwagen gestolpert, der an der Wand stand, ging um ihn herum und setzte seinen Weg fort, wobei er sich weiterhin mit den Händen an der Wand entlangtastete. Schläuche, Zettel an einer Korktafel, eine Box mit Schlüssel und Kettchen – vielleicht für den Feueralarm … Einen Moment lang überlegte er, ob er den Schlüssel drehen sollte. Dann machte der Gang einen Knick. Er ging um die Kurve. Richtete sich auf.
    „Ist da jemand? Bitte helfen Sie mir!“
    Niemand. Sein Brustkorb schnürte sich zusammen, kalter Schweiß lief ihm unter dem Patientenkittel, den er über seiner Jeans trug, den Rücken hinunter. Er trippelte weiter die Mauer entlang. Plötzlich blieb er stehen. Seine Finger waren auf eine vorspringende Metallplatte gestoßen, einen Knopf … Ein Aufzug! Zitternd drückte er auf den großen rechteckigen Knopf und hörte ein Bing. Er hörte das Dröhnen der Kabine, die sich in Bewegung setzte. Sekunden später glitt quietschend die Aufzugstür auf. Er machte einen Schritt hinein, als ihm eine Stimme hinter seinem Rücken zurief:
    „He! Wo wollen Sie denn in dieser Aufmachung hin?“
    Er hörte, wie der Mann ebenfalls die Kabine betrat, und wie die Aufzugstür hinter ihnen zuging.
    „Welcher Stock?“, fragte die Stimme neben ihm.
    „Erdgeschoss“, antwortete er. „Sind Sie vom Personal?“
    „Ja. Und Sie, wer sind Sie? Wie sind Sie überhaupt in diesem Zustand hierhergekommen?“
    Der Tonfall des Mannes war argwöhnisch. Er zögerte, suchte nach

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