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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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gesagt, dass Sie kommen würden … Sie hat mir gesagt, dass welche zu mir kommen würden, um mir Fragen über eine Mail zu stellen, die sie verschickt hat. Aber sie hat mir nicht gesagt, dass sie von der Polizei wären.“
    Gewonnen. Er hatte wieder ihre ganze Aufmerksamkeit. Servaz und Espérandieu ließen ihn nicht aus den Augen.
    „Und das ist noch nicht alles …“
    Scheißkerl, dachte Servaz. Noch eine Minute und er würde ihn am Kragen packen und ihm sein orangefarbenes Namensschildchen in den Mund stopfen.
    „Sie hat das hier dagelassen …“
    Er ging hinter die Theke und bückte sich, um etwas aus einer Schublade zu nehmen.
    Ein Umschlag.
    Servaz lief es kalt über den Rücken.
    Patrick reichte Espérandieu, der bereits Handschuhe übergestreift hatte, den Umschlag aus Kraftpapier.
    „Wer außer Ihnen hat ihn berührt?“
    „Niemand.“
    „Sind Sie sicher?“
    „Ja. Ich hab ihn entgegengenommen und hier hingelegt.“
    „Haben Sie einen Brieföffner? Eine Schere?“
    Der Mann wühlte in einer Schublade herum und reichte ihm ein Brotmesser. Espérandieu riss vorsichtig den Umschlag auf und steckte zwei Finger hinein. Servaz kniff die Augen zusammen, als sie wieder herauskamen. Eine metallisch glänzende CD zwischen Daumen und Zeigefinger. Espérandieu musterte sie von beiden Seiten. Servaz sah ihm über die Schulter. Die CD war neu: Sie war weder beschriftet noch wies sie Fingerabdrücke auf.
    „Können wir sie lesen?“, fragte er Patrick.
    Der Mann zeigte auf die in einer Reihe aufgestellten Rechner im Multimedia-Bereich.
    „Nein, nicht hier. Wo es diskreter ist.“
    Patrick ging wieder auf die andere Seite der Theke und zog einen roten Vorhang auf. Ein fensterloser kleiner Verschlag voller vollgestellt Packkartons von Computer-Hardware, Flaschenkästen, einer ausrangierten alten Kaffeemaschine, und in einer Ecke stand ein Schreibtisch mit einem Computer und einer Lampe.
    „War die Frau, die Ihnen den Umschlag gegeben hat, allein?“, fragte Servaz.
    „Ja.“
    „Was für einen Eindruck hat sie auf Sie gemacht?“
    Patrick dachte nach.
    „Knuffig. Ansonsten eher ein bisschen streng … Jetzt, wo Sie es sagen, kommt es mir vor, als hätte sie tatsächlich eine Perücke getragen …“
    „Und sie hat Sie gebeten, uns das zu übergeben? Warum haben Sie dann nicht die Polizei angerufen?“
    „Weil zu keinem Zeitpunkt von der Polizei oder irgendetwas Illegalem die Rede war. Sie hat nur gesagt, dass mehrere Personen zu mir kommen würden, um mit mir über sie zu reden, und dass ich ihnen diesen Umschlag übergeben sollte.“
    „Warum haben Sie sich damit einverstanden erklärt? Kam Ihnen das nicht dubios vor?“
    Der Mann zwang sich ein Lächeln ab.
    „Sie hat mir außerdem zwei 50-Euro-Scheine gegeben.“
    „Das macht das Ganze doch noch suspekter, oder?“
    Der Mann antwortete nicht.
    „Außer der Perücke ist Ihnen nichts aufgefallen?“
    „Nein.“
    „Haben Sie eine Überwachungskamera?“
    „Ja. Aber sie schaltet sich erst abends ein, nach Ladenschluss, und sie ist an einen Bewegungsmelder gekoppelt.“
    Offenbar genoss Patrick Servaz‘ Enttäuschung. Als Fan von George Orwells Big-Brother-Theorie wollte er wohl der Polizei die Arbeit nicht allzu sehr erleichtern.
    „Haben Sie die Geldscheine noch?“
    Wieder lächelte er.
    „Nein, das Geld wird bei uns immer gleich in Umlauf gebracht.“
    Espérandieu dankte ihm, um ihn hinauszukomplimentieren.
    Servaz sah, wie sich sein Mitarbeiter über Computer beugte. Der Mann rührte sich nicht von der Stelle.
    „Wer ist dieser Kerl, den Sie suchen?“
    „Sie können jetzt gehen“, sagte ihm Servaz mit einem breiten Lächeln. „Wir rufen Sie, wenn wir Sie brauchen.“
    Der Geschäftsführer sah sie verächtlich an. Dann zuckte er mit den Schultern und ging weg. Sobald er hinter dem Vorhang verschwunden war, schob Espérandieu die CD in den Computer. Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Fenster, und der Mediaplayer startete automatisch.
    Servaz verkrampfte sich unwillkürlich. Was kam jetzt? Eine Botschaft von Hirtmann? Ein Video? Und wer war diese Frau? Eine Komplizin? Die Anspannung machte sich bei ihnen körperlich bemerkbar. Servaz sah den dreieckigen Schweißfleck zwischen Espérandieus Schulterblättern, und lag nicht nur an der Hitze, die in der Kammer herrschte. Aus dem Saal drang unterdrücktes Stimmengewirr zu ihnen.
    Die Stille war endlos. Nur die statische Elektrizität rauschte in den Lautsprechern. Espérandieu hatte

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