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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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mittlerweile Zweifel gekommen waren. Diese Bedienungsanleitung war verdammt kompliziert – jedenfalls für jemanden wie ihn, der mit der Technik grundsätzlich auf Kriegsfuß stand. Er begann, an den Tasten der Fernbedienung herumzudrücken; das Bild verschwand, tauchte wieder auf; dann wurden die Aufnahmen einer Kamera in Vollbildansicht angezeigt, aber es war die falsche. Er fluchte. In dieser verflixten Bedienungsanleitung stand nirgends, wie man vorgehen musste, um die Aufzeichnungen wiederzugeben. Na klar … War ihm je schon eine Gebrauchsanweisung untergekommen, die wirklich leicht verständlich war?
    Um 18:45 Uhr bemerkte er, dass er schweißgebadet war. In dem Kabuff durften es gut und gerne 35 Grad sein. Er machte das kleine Fenster auf. Es war mit zwei dicken Stahlstäben gesichert, die in der Mauer verankert waren. Er stellte fest, dass es auf eine Sackgasse ging und dass es wieder zu regnen begonnen hatte: Das Geräusch des Regens drang gleichzeitig mit einer willkommenen kühlen Brise in das Kabuff.
    Um 19:07 Uhr wusste er endlich, wie er vorgehen musste. Als er auf die Aufzeichnungen der Parkplatzkamera zugreifen konnte, wurde ihm klar, dass es nur eine Möglichkeit gab, zu dem gesuchten Zeitpunkt – kurz vor 20:30 Uhr am letzten Freitag – zu gelangen: Er musste die Aufzeichnungen i, Zeitraffer abspielen.
    Er machte einen ersten Versuch, aber unerklärlicherweise stoppte nach einigen Minuten der Schnelldurchlauf, und die Aufzeichnung wurde wieder von vorn abgespielt.
    „MIST! MIST! MIST! MIST!“
    Seine Stimme hallte durch den Gang und die menschenleere Schalterhalle. Er holte tief Luft. Immer mit der Ruhe. Du schaffst es. Der Schweiß stand ihm in dicken Tropfen auf der Stirn, und sein Hemd klebte ihm am Rücken. Er beschloss, die Videoaufzeichnungen erst im Schnelldurchlauf abzuspielen, dann auf normale Lesegeschwindigkeit umzuschalten, und ein Stück weiter erneut die Schnellwiedergabe zu aktivieren.
    Um 19:23 Uhr begann sein Herz schneller zu schlagen. 20:12 Uhr … Diese Ziffern standen auf dem Bildschirm. Er schaltete auf normale Wiedergabegeschwindigkeit um. Irgendetwas hatte die Kamera in diesem Moment eingeschaltet. Ein Auto, das vom Parkplatz fuhr. Eine Folge von Standbildern, die die Fahrmanöver des Autos leicht zerhackten. Servaz beobachtete, wie das Fahrzeug an der Kamera vorbeifuhr. Ein Blitz erhellte den Bildschirm. Das Gewitter tobte über Marsac, die Scheibenwischer des Wagens schwangen hin und her, und er hatte Mühe, überhaupt irgendetwas darin auszumachen. Bis er für einen flüchtigen Moment ein etwa fünfzig Jahre altes Paar erkannte … Wieder war er enttäuscht. Die Aufzeichnung brach ab und setzte um 20.26 Uhr erneut ein. Ein weiterer Wagen fuhr vorbei, hinten am Parkplatz und verschleiert von den Regenvorhängen … Es wurde dunkler, aber das System glich die mangelnde Helligkeit aus. Doch der Eingang des Pubs wurde immer verschwommener. Servaz fragte sich, ob er wohl überhaupt etwas erkennen könnte, wenn jetzt jemand herauskäme … Er rieb sich die Augen; vor lauter Starren auf den Bildschirm brannten sie. Der Regen machte einen ohrenbetäubenden Lärm. Es war fast, als käme er von den Aufzeichnungen. Plötzlich fuhr Servaz zusammen. Hugo … Soeben war er aus der Tür des Pubs ins Freie getreten. Trotz des unscharfen Bildes und des Gewitters gab es nicht den geringsten Zweifel, wer die Gestalt war, die gerade aufgetaucht war. Er trug dieselben Kleider wie am Abend des Mordes. Der Haarschnitt und die Gesichtsform passten. Servaz schluckte. Er wusste, dass die folgenden Sekunden entscheidend wären.
    Los! Geh schon …
    Die Augen auf den Bildschirm gerichtet, sah er, wie der junge Mann durch die Gasse zwischen den Autos ging. Die Wiedergabegeschwindigkeit von zehn Bildern pro Sekunde zerhackte seine Bewegung ein wenig. Der junge Mann blieb mitten auf dem Weg stehen und sah zum Himmel auf. Mehrere Sekunden lang verharrte er so.
    Was machst du nur, verdammt?
    Servaz fragte sich, ob das Bild nicht schon wieder eingefroren war, so reglos wie Hugo dastand. Gleichzeitig behielt er den Eingang des Pubs im Auge. Aber dort tat sich nichts … Bis in die Spitzen seiner schweißnassen Finger, die auf der Fernbedienung eine feuchte Spur zurückgelassen hatten, spürte er das Pochen seines Herzens. Geh schon weiter … Servaz hielt nach dem Wagen Ausschau, den Hugo vor dem Haus von Claire Diemar geparkt hatte, aber er konnte ihn nirgends entdecken. Dabei musste er irgendwo auf

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