Kindheit bei Scientology: Verboten (German Edition)
Eltern fest verstrickt in den scientologischen Arbeitsalltag. Edwin aber wird mit der empfohlenen Frageliste aus dem Buch »Selbstanalyse« von L. Ron Hubbard traktiert. In der Einleitung zu den Fragen geht es um die so genannten »Aberrationen« (Erklärung laut Fachwortsammlung Dianetics und Scientology, New Era Publications, L. R. Hubbard, 1984, S. 1: »aberriert: von der Vernunft abgewichen, geistig gestört«). Diese »Verwirrungen« müssen verschwinden. Es sind kranke Elemente.
Der entsprechend empfohlene Abschnitt des Fragenkatalogs ist überschrieben mit dem Wort »Abwertung«, und das Ziel der Befragung ist Folgendes: Man soll erkennen können, welche Personen in der Umgebung Schlechtes zum Ziel haben und den eigenen Weg behindern. Schon sehr früh beginnt damit die Abgrenzung nach außen. Die Empfehlung für den Umgang mit Kindern lautet, altersgemäße Fragen zu stellen. Doch ist das eine Empfehlung, die bereits bei der ersten Frage scheitern dürfte. Diese lautet:
»Wie viele Leute haben Sie gekannt, die in der Maske des Helfers fortwährend versucht haben, Sie als Person in Stücke zu reißen und Ihre Zukunft, Ihre Hoffnungen, Ihre Ziele und die Energie Ihres Lebens selbst zu reduzieren?«
Dann folgen weitere Fragen, die auch der kleine Edwin und andere Kinder der Organisation beantworten müssen:
Kannst du dir eine Zeit zurückrufen, als:
1. Jemand, der viel kleiner war als du, dir deine Größe übel genommen hat?
2. Jemand, der größer war als du, dir ein Gefühl der Minderwertigkeit gab?
3. Jemand dich etwas nicht beenden lassen wollte? (…)
13. Du entdeckt hast, dass es auf der Welt noch gewöhnlichere Menschen gab als dich? (…)
20. Du festgestellt hast, dass du größer und stärker warst als ein Tier? (…)
23. Ein Feind um Schonung gefleht hat?
24. Du jemanden zum Bluten gebracht hast?
28. Du etwas getötet hast? (…)
30. Es dir gelungen ist, von jemandem wegzukommen, der dich abgewertet hat?
31. Du entdeckt hast, dass du recht hattest und der Alte nicht?
Und schließlich die letzte Frage, die 37., nach vielleicht Stunden der Befragung durch den Auditor:
37. Du heute auf dich selbst stolz warst?
Der Kopf des kleinen Edwin wird sicherlich danach damit zu tun haben, was in der Zeit am »E-Meter« passiert ist. Er wird vielleicht schon verinnerlicht haben, dass es Menschen gibt, die ihm zwar freundlich und hilfsbereit begegnen, aber nichts anderes vorhaben, als ihn abzuwerten, ihn kleinzukriegen. Ein guter Scientologe muss schnell lernen, wo die Feinde sitzen, und das schon als Kleinkind.
Schulische Kommunikationsprobleme
Leben und Alltag unserer scientologischen Familie gehen weiter. Morgens kommt Klein-Edwin in die entsprechende Unterbringung, spät am Abend wird er – manchmal schon schlafend – abgeholt. Zwischendurch Kurse und »Auditing« für den Kleinen. Schließlich, nach ein paar Jahren, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die nicht-scientologische Welt auf den kleinen Edwin aufmerksam wird: Er muss zur Schule.
Was tun? Eigentlich war es immer klar, dass man irgendwann gemeinsam, Eltern und Kind, in eine der Elite-Einrichtungen der so genannten »Sea-Organisation«, ins Ausland geht. Aber bisher waren die Voraussetzungen nicht gegeben, vor allem durch die Großeltern, die immer einmal wieder inner-scientologischen Stress verursacht hatten. In die »Sea-Org« aufgenommen zu werden, das bedeutet, alles geregelt zu haben und keine Probleme zu hinterlassen.
Die andere Möglichkeit, die in Dänemark gelegenen scientologischen »Schuleinrichtungen« für den kleinen Edwin ins Auge zu fassen, scheitert im Moment an der finanziellen Situation der Familie. Denn das Internat gleich hinter der deutschen Grenze verlangt Schulgebühren. Aber was soll es, gerade für die Großeltern (und damit die nicht-scientologische Welt) ist das Einschulen des kleinen Edwin in einer staatlichen Schule ja auch ein Beweis der Freiheit! Niemand in der Organisation soll ja angeblich gezwungen werden, seine Kinder in scientologische Einrichtungen zu schicken. Die andauernden Diskussionen mit nicht-scientologischen Familienmitgliedern um das Wohl des Kindes durch Scientology können damit vielleicht – zumindest für eine Zeit – beendet werden. Denn für die Eltern bleibt es Ziel, ihren Edwin irgendwann in die entsprechenden Einrichtungen bringen zu dürfen.
Der Tag der Einschulung naht. Der kleine Edwin ist etwas aufgeregt, ein Gefühl, das ihn stört, denn
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