Kindheit bei Scientology: Verboten (German Edition)
selbst haben auch keine Nachteile erfahren. Ein scientologisches Ziel hat Edwin damit immerhin erreicht: ein paar Menschen davon zu überzeugen, dass Scientology eigentlich etwas ganz Harmloses ist. Und diese Meinung wird die Familie wohl auch in ihrem Bekannten- und Freundeskreis weitergeben.
Somit handelt unser kleiner Edwin, der die Außendarstellung der Organisation positiv stärkt, in ihrem Sinne. Jeder einzelne seiner Schritte bestätigt, dass Edwin schon mittendrin in der scientologischen Propaganda-Maschinerie ist. Und natürlich hat auch er seinen Bericht über die Gespräche und die Reaktionen des Kindes und der Eltern verfasst, was ihm durchaus positive Reaktionen im Scientology-Kreis eingebracht hat.
Wie viele Eltern und Kinder über derartige Aktionen in die Organisation gebracht werden, ist immer erst dann endgültig zu dokumentieren, wenn die Menschen darüber sprechen und sich von dem System gelöst haben.
Zarte Bande
An einem Wochenende gab es für Edwin eine besondere Überraschung. Am späten Samstagnachmittag brachte sein Vater eine Familie mit ihrem zwölfjährigen Mädchen mit. Auch sie waren Scientologen und wollten in der Stadt bleiben, um hier für die Organisation zu arbeiten. Edwin fand das Mädchen auf Anhieb sympathisch. Sie war nett und sah gut aus. Edwin war ganz begeistert.
Im Gebäude der Organisation lief man sich dann auch über den Weg. Edwins kleine Freundin hatte in der Stadt, aus der sie kamen, einen Kurs noch nicht abgeschlossen, was nun dringend nachgeholt werden musste.
Im Kursraum saßen sie zusammen. Zum wiederholten Mal hatte man bei Edwin diagnostiziert, dass er mit missverstandenen Worten zu kämpfen hatte – und anscheinend ging es seiner neuen Freundin nicht anders. Also saßen sich die beiden gegenüber und kneteten aus Knetmasse Worte.
Denn eines der grundlegenden Hindernisse, die Welt nach Hubbards Lehre zu verstehen, beruht darauf, dass grundsätzlich alles nicht richtig verstanden wird und daher Begriffe und Worte so zu erlernen sind, dass Missverständnisse nicht mehr auftreten. Die Entwicklung der eigenen, scientology-internen Sprache basiert genau auf dieser vorgegebenen Idee. Kommunikation und das Funktionieren des Systems sind nur möglich, indem »Scientology-Sprache« gelernt und verinnerlicht wird. Hubbard geht davon aus, dass jemand, der nicht über genügend scientologisches Sprachwissen verfügt, eher dazu neigt, zu »blowen« (Scientology-Begriff für »abhauen«, die Organisation verlassen.)
Also bleibt den Scientologen nichts anderes übrig, als sich mit den vorgegebenen Materialien »Der Studenten-Hat« (für Hut) auseinanderzusetzen, sie intensiv zu studieren. Denn jeder will das »Blow« verhindern.
»Die Erscheinung des ›Blows‹ (Abhauen) stammt von diesem dritten Aspekt des Studierens: die missverstandene Definition oder die nichtbegriffene Definition, das undefinierte Wort. Das ist dasjenige, das das Blowen hervorbringt. (…) Dieses Hindernis der missverstandenen Definition ist sehr viel wichtiger. Diese Sache ist entscheidend für die Art und Weise, wie sich die menschlichen Beziehungen, der Mind und Fachgebiete aufbauen. (…) Es ist die Definition von Wörtern. Das missverstandene Wort.«
(Hubbard, Lafayette Ronald: Der Studenten-Hat, Wortklärungs-Serie 3R,
Hindernisse beim Studieren, New Era Publications, Kopenhagen 1984, S. 3)
Es ist also von elementarer Bedeutung, dass auch die Jüngsten schon keinerlei missverstandene Wörter in sich tragen. Schließlich soll vermieden werden, dass sie irgendwann auf die Idee kommen, die Organisation zu verlassen.
»Jeder Teil des Minds und jeder Fachausdruck, jede Idee, jede Handlung oder Situation in der Scientology kann auf einem Knettisch demonstriert werden.«
(Hubbard, Lafayette Ronald: Knettischarbeit in der Ausbildung, im Material:
Der Studenten-Hat, a. a. O., S. 2)
Edwin saß nun im Kursraum und versuchte unermüdlich den Begriff »Mind« aus der Knetmasse herzustellen. Doch immer wieder, wenn er der Ansicht war, es geschaf zu haben, fand die Aufsichtsperson im Raum irgendetwas nicht stimmig. Irgendwann kam dann der Hinweis, den Edwin schon aus früheren Situationen kannte und der folgendermaßen beschrieben wird:
»Es ist verhängnisvoll, über ein missverstandenes Wort oder Symbol hinwegzugehen oder ein missverstandenes Wort oder Symbol zu ignorieren, weil man einfach das, was man studiert, nicht verstehen wird.«
(Hubbard, Lafayette Ronald:
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